Tod sei Dank: Roman (German Edition)
gesagt: »Du bist also Mr Cynthia. Wie wärs mit ’nem Bier für alle?«
Sie saßen zu dritt um den Küchentisch, als Heath sein jüngstes Abenteuer zum Besten gab: Zur Feier seiner Entlassung hatte er die erste Nacht in Freiheit durchzecht; ein Baseballschläger und fünf weitere Männer spielten tragende Rollen in seiner Geschichte. Will lachte nervös. Er hatte in seinem ganzen Leben noch nie jemanden getroffen, der ihm so viel Angst einflößte. Würde Heath ihm den Kopf mit einem Baseballschläger zertrümmern, sobald ihm das Bier ausging? Befand sich der Baseballschläger in dem großen schwarzen Müllbeutel, den Heath bei sich trug?
»Er ist wie ein Bruder für mich«, sagte Cynthia später. »Er ist alles, was ich an Familie habe. Ich weiß, dass er anders ist als andere, dass er aus einer anderen Welt kommt, aber kannst du versuchen, mit ihm auszukommen? Meinetwegen? Bitte?«
Will versuchte es. Als Heath einen Monat später um drei Uhr früh an der Tür klingelte, noch ganz atemlos von einer Schlägerei, und nach einem Sofa, dem Fernseher und einem Schwätzchen mit der besten Freundin auf der Welt verlangte, da lächelte Will bloß und sagte, er wolle noch ein wenig weiterschlafen. Dann überließ er den beiden das Feld.
Als Heath und Cynthia ihre Band neu aufleben ließen und jedes Wochenende loszogen, um Menschenmengen zu bezaubern, die aus vielleicht fünfzehn Personen bestanden, da lächelte er bloß und sagte, wie froh er sei, dass sie etwas tue, was ihr wirklich wichtig sei.
Er versuchte, mit ihm auszukommen, aber alles, was er fertigbrachte, war, Angst vor ihm zu haben. Heath war ein gemeiner Schläger. Er war launisch. Er war gefährlich.
Und jetzt hatte seine Frau sich mit ihm aus dem Staub gemacht.
Wie konnte sie nur! War das nicht wie Inzest, wenn die beiden einander wirklich wie Bruder und Schwester waren? Würde sie nicht in dauernder Angst leben müssen? Sich Sorgen machen? Was für ein Mensch war Cynthia eigentlich, dass sie mit diesem Brutalo-Typen zusammen sein wollte? Ganz bestimmt nicht die Frau, die er bekocht und massiert hatte. Nicht die, deren weiche Haut ihn ganz wild vor Verlangen gemacht hatte.
Seine Eltern und Si hatten ihn zu warnen versucht.
»Bist du dir sicher, dass du das Richtige tust?«, hatte seine Mutter ihn gefragt, als sie zusammengezogen waren.
»Sie ist einfach zu … anders«, hatte sein Vater gesagt.
»Sie ist eine durchgeknallte Fixerin«, hatte Si gesagt. »Weißt du überhaupt, was zum Teufel du da tust, Alter?«
Sie alle hatten ins Schwarze getroffen. Cynthia und Heath gehörten zusammen. Er wusste selbst nicht mehr, warum er jemals angenommen hatte, auf Dauer mit ihr zusammenleben zu können. Mit etwas mehr Entscheidungsfreude hätte er ihre blöden Ideen auflaufen lassen: den langweiligen Job, die vorzeitige Elternschaft. Mit etwas mehr Entscheidungsfreude hätte ihm klar sein müssen, dass die Anziehungskraft, die sie auf ihn ausübte, auf Bewunderung und Sex beruhte. Sie war wie eines dieser schrillen, bizarren Kleidungsstücke, die man spontan im Urlaub kauft. Er hätte sie nie zu Hause tragen sollen.
Aber er liebte sie. Sie war Künstlerin, so wie er gern Künstler geworden wäre. Sie sang mit Heath und ihren Kumpels in Pubs, wohingegen Will seit dem Abschluss seines Kunststudiums das Regieführen nur bei einfachen Abendessen vergönnt gewesen war. Als sie sich kennengelernt hatten, war Will arbeitslos gewesen und hatte bei seinen Eltern gewohnt. Die drei Filmprojekte, die er an der Uni begonnen hatte, waren nie über das erste Entwicklungsstadium hinausgekommen. Er hatte gute Ideen und hochtrabende Pläne, aber weiter als bis zum Erstellen von Aufgabenlisten schaffte er es selten. Wenn er tatsächlich einmal ein Treatment oder ein Drehbuch schrieb und jemand anderes (ein Autor, ein Produzent, ein Finanzier) seine Meinung dazu beisteuerte, dann plagten ihn Selbstzweifel. Er ließ zu, dass seine ursprüngliche Idee immer weiter verwässert wurde, berücksichtigte alle möglichen Einwände, änderte alles, ruinierte alles, rannte im Kreis.
Ihm dämmerte allmählich, dass sein ganzes Leben ein einziges, qualvolles Entwicklungsstadium war, das nirgendwohin führte. Alles, was er tat, war Filme anzugucken, Wein zu trinken, Musik zu hören und Chips zu essen – wie ein Siebzehnjähriger.
Als sie zusammen gewesen waren, hatte er alles dafür getan, dass Cynthia in seiner Nähe blieb – so, als ob allein ihre Anwesenheit ihn mit etwas
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