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Tod sei Dank: Roman (German Edition)

Tod sei Dank: Roman (German Edition)

Titel: Tod sei Dank: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
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Selbst im Schlaf hielt sie ihr Handy umklammert.
    »Was?«
    »Cynthia … unsere … unser Mutterdings … ich weiß nicht, wie ich sie nennen soll. Sie ist hier. Sie sagt, dass sie uns kennenlernen will.«
    »Ist Papa zurück?«
    »Nein.«
    Kay starrte einen Moment lang die Decke an. Nicht wie jemand, der nachdenkt, sondern ohne jeden Ausdruck. »Sag ihr, dass ich schlafe.«
    »Bestimmt?«
    »Ich will nichts mit ihr zu tun haben. Und sieh zu, dass sie weg ist, ehe Papa heimkommt. Sie ist das Letzte, was er jetzt braucht.«
    Als ich in die Küche zurückkam, hatte der Muttermensch eine Flasche von dem Roten geöffnet, den Papa heute gekauft hatte, und sich ein großes Glas eingeschenkt.
    »Greif ruhig zu«, sagte ich.
    »Kannst du nicht mit diesem Scheiß aufhören und ein Glas Wein mit deiner Mutter trinken?«
    »Meinetwegen.«
    »Du bist das Klischee schlechthin, Georgie.« Sie schenkte ein zweites Glas Wein ein und reichte es mir. »Wo ist Kay?«
    »Schläft. Sie braucht Ruhe.«
    »Sie will mich also nicht sehen?«
    »Nein, sie will dich nicht sehen.«
    Wir hatten dieselbe Art zu trinken, der Muttermensch und ich. Keiner von uns beiden stellte das Glas ab, und beide tranken wir in kleinen, aber häufigen Schlucken. Es dauerte nicht lange, bis sie eine weitere Flasche von Papas Rotem öffnete.
    Der Muttermensch hatte offenbar einstudiert, was als Nächstes zu sagen sei. Dagegen wäre nichts einzuwenden gewesen, wenn es sich nicht um einen derart monströsen Haufen selbstverliebter Scheiße gehandelt hätte.
    »Ich will, dass du meine Gründe kennst.«
    »Dann erzähl mir davon. Warum hast du uns verlassen? Warum hast du nie Kontakt zu uns aufgenommen – nicht mal einen ganz kurzen Anruf oder eine Geburtstagskarte oder eine E-Mail? Hast du jemals an uns gedacht?«
    »Jeden Tag, Georgie! Jeden Tag. Lass es mich erklären …«
    Sie klang jetzt wie eine ganz normale Mutter, deren Kind etwas Schlimmes getan hat – Süßigkeiten im Laden geklaut, zum Beispiel. Dank ihrer Belehrungen würde ich die moralische Wahrheit erkennen.
    »Ich habe Heath immer geliebt. Es ist schwer zu erklären, wie sehr ich ihn liebe, oder auch nur, warum ich ihn liebe. Er ist meine andere Hälfte, ist es immer gewesen. Euer Vater – na ja, der war ein Intermezzo.«
    »Ein Intermezzo.«
    »Ein Versuch in Mittelmäßigkeit.«
    »Ein Versuch in Mittelmäßigkeit. Hübsch.«
    »Ich hatte meine eigene Karriere. Hast du mich jemals singen hören?«
    »Habe ich.«
    »Dann weißt du, dass ich Talent habe, Georgie. Manche Leute haben mich für die nächste Stevie Nicks gehalten. Ich musste es doch wenigstens versuchen, meinst du nicht? Wäre es nicht jammerschade gewesen, wenn ich es nicht wenigstens versucht hätte?«
    Erwartete sie wirklich, dass ich ihr zustimmte? Dass ich sagte: Klar, Mutter, verstehe ich – du bist die nächste Stevie Nicks (wer auch immer das ist)?
    »Sehnst du dich denn nicht nach Freiheit? Möchtest du nicht die Mauern einreißen, die man um dich herum errichtet hat? Hier bist du von Mauern umschlossen!«
    Eigentlich hatte ich nicht nicken wollen.
    »Ich brauchte die Freiheit, von der die meisten Menschen nur träumen«, sagte sie. »Und weißt du was?«, fügte sie hinzu, als sie meinen skeptischen Blick sah: »Ich habe es satt, kritisiert zu werden. Als Mutter war ich eine totale Fehlbesetzung. Eine Horrormutter, dauernd wütend und aufgebracht. Wenn Will nicht hingesehen hat, habe ich euch geohrfeigt. Manchmal hätte ich euch am liebsten aus dem Fenster geworfen. Ich fühlte mich deprimiert, erstickt. Und ich habe weder ihn noch euch Mädels glücklich gemacht.«
    Sie trank ihr Glas aus und fuhr fort: »Ich bin damals zu dem Schluss gekommen, dass ich Verantwortung für mich trage. Wenn ich nicht der Mensch sein konnte, der ich sein wollte, wie konnte ich dann der Mensch sein, den ihr Kinder in mir sehen wolltet? Ich bin nicht geisteskrank. Ich bin nicht bösartig. Viele Frauen machen heutzutage ähnliche Dinge. Alleinerziehende Väter sind keine Seltenheit. Warum kritisieren wir das, wenn wir es im umgekehrten Fall nicht kritisieren?«
    »Bist du glücklich?«
    »Nicht ohne Heath. Ich brauche ihn … ich zähle die Stunden, bis ich ihn sehen kann.« Sie hielt inne und kaute an ihren Nägeln herum. »Ich verstehe ja, dass es fürchterlich war. Ich habe euch enttäuscht. Ich habe Mist gebaut und alles verpfuscht. Aber ich wollte einfach nicht, dass ihr die Konsequenzen meines Verhaltens ertragen musstet.«
    »Und du

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