Tod sei Dank: Roman (German Edition)
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Könnte ich ein Schwert vor mich halten?
Will machte sich unter mancherlei Ablenkungen daran, das Sterbegedicht zu schreiben, das jeder Samurai-Krieger zum Ausführen von Seppuku benötigt. Eine Stunde und siebzehn zerknüllte Blätter A4-Druckerpapier später war dies das Ergebnis:
7d) Sterbegedicht
Es fiel mir stets schwer
Das rechte Geschenk zu wählen –
Bis jetzt.
Lächle, wenn du es öffnest.
Wenn du es öffnest,
Dann, bitte, lächle.
Wenngleich mit Liebe verpackt
Ist die Hülle bedeutungslos
Da ich stets nur durch dich gelebt
Und auf diese Weise
Weiter durch dich leben kann.
Ihm gefiel das Gedicht. Es brachte ihn zum Weinen. Er wischte sich die Tränen ab und schrieb:
Könnte ich den Kimono öffnen, das Kurzschwert packen und es mir in den Bauch rammen?
Könnte ich einen Schnitt nach links, einen Schnitt nach rechts und einen nach oben machen?
Ich bräuchte einen Helfer.
7e) Helfer finden, dem das alles nicht zu obskur ist
Der Helfer würde beim zweiten Schnitt bereitstehen, Daki-Kubi auszuführen: eine fast vollständige Enthauptung, nach der nur noch ein kleiner Streifen Fleisch meinen Kopf mit dem Körper verbinden würde.
O Mann, klingt das schrecklich.
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8.
Apokarteresis (Selbsttötung durch Verhungern)
Sehr langsam. Und ich war noch nie imstande, Chips zu widerstehen. Wenn mir jemand einen anbietet, esse ich ihn einfach.
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9.
Begleitete Selbsttötung
Na bitte, das wärs doch. Legal, schmerzlos. Brauche nur einen zwingenden Sterbegrund (Welcher Grund könnte zwingender sein als meiner?). Würdevoll, angstfrei, freundlich, sauber, still.
Während er googelte, wurde er immer enthusiastischer. Dignitas! Da gingen die Leute dauernd hin. Ohne zurückzukommen, wohlgemerkt.
Dignitas, die Selbstmordklinik in der Schweiz, die Fünfsterne-Selbstmordklinik, die Selbstmordklinik, die von ihren Kunden zur weltweit besten Selbstmordklinik gekürt worden war. Ob es schmerzfrei ablaufen würde? Ob er eine sichere, sofortige Transplantation in der Schweiz organisieren könnte?
Er hatte überlegt, ein Nierentourist zu werden. Warum sollte er also nicht zum Selbstmordtouristen werden? Er hatte schon immer verreisen wollen.
Er las alles, was es im Internet darüber zu lesen gab. Es war ein vernichtender Schlag, als er herausfand, dass er ärztliche Empfehlungen benötigte (die er niemals bekommen würde) und dass die Mädchen wegen Mithilfe belangt werden könnten.
»2/10«, schrieb er betrübt.
Na dann, dachte er und sah die sehr ordentliche Liste durch, die ganze drei Seiten nach der Liste füllte, die er zuvor herausgerissen hatte …
Dann also eine Schusswaffe.
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Kapitel einundvierzig
Will öffnete das Tagebuch seiner Tochter. Was genau hatte sie da geschrieben? »Du wärst überrascht, wie leicht es ist, an eine Knarre zu kommen.«
Wenn sie eine finden konnte, dann er doch wohl auch, oder? Wo hätte sie gesucht?
Wie üblich googelte er, fand aber nur einen einzigen hilfreichen Artikel. Der trug die Überschrift: »Bei Anruf Waffe«. Anscheinend war es in Schottland möglich, sich binnen zwei Stunden eine Schusswaffe zu beschaffen. Leider enthielt der Zeitungsartikel seinen Lesern die erwähnte Telefonnummer vor. Was er ihnen nicht vorenthielt, war die Information, dass Bandenmitglieder in Glasgow sich immer öfter mit Pistolen bewaffneten.
Welche Banden kannte Georgie?
Vielleicht die Young Mayfield Possie? Oder The Broady vom anderen Ende der Straße, die regelmäßig beschuldigt wurden, Mülltonnen in Brand zu stecken und Backsteine durch die Wohnzimmerfenster der Häuser am Park zu werfen?
Er entschied sich für Letztere. Georgie ging oft zum Park, und wenn sie zurückkam, roch sie meistens nach Alkohol. Es war dunkel. Gut möglich, dass die örtlichen Kleinkriminellen jetzt gerade dort waren.
Der Park bot den älteren Einwohnern des Viertels die Möglichkeit, mit ihren Hunden Gassi zu gehen, und ihren Kindern sowie den Jugendlichen vom anderen Flussufer eine Spielwiese zum Saufen und Raufen. Die armen Menschen von fernen Ufern mussten zwar nicht herüberschwimmen, hatten aber einen weiteren Weg. Der war es wert, denn im Park war immer was los.
So auch heute Abend.
Eine Gruppe von rund zehn Jugendlichen lungerte auf der schmalen Gasse herum, die den Park von den angrenzenden Reihenhäusern trennte. Sie johlten lautstark Obszönitäten und warfen Flaschen gegen eine Bank, wurden aber etwas leiser, als sie ihn kommen sahen. Wahrscheinlich hielten sie ihn für
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