Tod to go (Crime Shorties)
jemandem, der sich in die Trikots der Fahrer verguckt?
Ich weiß, das ist eine Macke, aber zumindest ärgere ich mich nicht, wenn statt Rot dann Grün oder ein blaues Streifenmuster kommt. Dann hab ich ja nicht aus Geldgier verloren, sondern aus Liebe.
Widukinds blutige Wiederkehr
Es gibt sie. Eine Stunde vor Unfällen versammeln sie sich ganz in der Nähe. Stehen herum. Und warten. Es ist, als würden sie das Blut bereits riechen.
Ich weiß nicht, woher sie kommen und ob es so etwas wie die Hölle überhaupt gibt. Doch man erkennt sie an ihren Gesichtern. In ihnen sind das Warten, die Neugier und das Staunen eingemeißelt. Und die Sensationslust.
An der Enger Stiftskirche habe ich sie zum ersten Mal gesehen. So viele, dass ich sie gar nicht zählen konnte. Standen da in Gruppen vor dem kleinen Wäldchen, das dem Kirchturm den Rücken frei hält.
Die Zeiger der Turmuhr näherten sich sieben Uhr. Wie immer schienen sie mit nichts Besonderem beschäftigt zu sein. Sie warteten. Und ich wartete. Aber es geschah nichts.
Kein Wunder, denn wenn sie in so großer Zahl auftreten, künden sie etwas Bedeutendes an. Und das braucht seine Zeit.
Ich verfolge sie nun schon eine ganze Weile, und ich weiß: Sind es fünf oder zehn, kann mit dem tödlichen Unfall in ein bis zwei Stunden gerechnet werden. Sind es aber 50 bis 100, wie in diesem Fall …?
Vier Monate hatte ich in der kleinen gemieteten Wohnung gegenüber der Stiftskirche ausgehalten, als es passierte. Ich wollte gerade mein Fernglas weglegen, da stürzte eine Gestalt aus der Kirche. Mit einem seltsamen Umhang, darunter eine Art ledernes Wams. Und sie trug ein Schwert in der Hand, dass die Gestalt nach wenigen Schritten in ein Gebüsch warf. Mit wirren Haaren lief er über den Kirchplatz und blickte sich gehetzt um.
Ich zog mich an und machte mich auf die Suche. Nach einer halben Stunde fand ich ihn, schlotternd in einem Gebüsch kauernd.
»Wer sind Sie?«, sagte ich. Er starrte mich mit aufgerissenen Augen an und biss sich auf den Zeigefinger.
»Ich? Ich … ich weiß nicht.«
Hinter uns raste ein Polizeiwagen zur Stiftskirche.
»Was ist passiert?«
»Ich weiß es doch nicht«, sagte er.
Ich nahm ihn mit in meine Wohnung und reichte ihm eine Decke. Verwirrt sah er an sich herunter, sah mich fragend an und schaute sich erstaunt in der Wohnung um.
»Sie kommen aus der Stiftskirche und sehen aus wie Widukind«, sagte ich und deutete auf seine mittelalterliche Kleidung. Seine Hand war blutig und am Kopf hatte er vor Kurzem eine blutige Schramme davongetragen.
»Widu …?«, sagte er mit tonloser Stimme.
»Widukind«, sagte ich und fuhr im gleichen Augenblick zusammen.
Hatte die lauernde Teufelsbrut die Wiederkehr des Sachsenhäuptlings angekündigt, dessen Gebeine angeblich drüben in der Stiftskirche in einem Sarkophag liegen sollten? War das möglich? Wenn es Wesen gab, die Unglücke ankündigten … nun, ich beschloss, ihn erst einmal zu verstecken.
Er betastete die Decke, die ich ihm gegeben hatte, als würde er so etwas zum ersten Mal in den Händen halten.
Drüben an der Stiftskirche trafen immer mehr Polizeiwagen ein. Selbst meine fünfzig Meter entfernt liegende Wohnung wurde in zuckendes Blaulicht getaucht.
»Was ist passiert?«, fragte ich ihn noch einmal.
Er schälte sich aus der Decke, fuhr sich durch die wilden Haare und sagte: »Ich weiß es doch nicht.«
Ich bedeutete ihm, ruhig zu bleiben und auf keinen Fall die Wohnung zu verlassen. Dann ging ich hinüber zur Kirche, die von Polizei-, Kranken- und Feuerwehrwagen umstellt war.
»Kein Zutritt«, sagte ein Polizist am Flatterband.
Aufgrund meiner Beobachtungen kannte ich den Weg, den der Organist am Sonntagmorgen nahm. So gelangte ich durch einen Nebengang und über eine Treppe auf die Empore und sah hinunter.
Direkt neben dem Sarkophag lag der Tote, der mit einer Art glitzerndem Gewand bekleidet war. Das Licht der Beleuchtungsstrahler, die die Kriminaltechniker aufgebaut hatten, wurde auf Kirchendecke, Altar und in die Seitenschiffe zurückgeworfen. Auf dem Steinboden breitete sich eine Blutlache aus.
In blauen Overalls knieten neben der Leiche und ein Fotograf ging seiner Arbeit nach. Das Seltsame aber war die Steinplatte auf dem Widukindsarkophag: Sie war leicht verrutscht. Nach zehn Minuten trat ein Mann neben die Mediziner.
»Todesursache?«, fragte er.
»Eine Spiegelscherbe. Hat die Halsschlagader glatt durchtrennt.«
Ich schlich in meine Wohnung zurück. Mein
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