Tod to go (Crime Shorties)
nicht, meint Jan, so heißt der da unten mit den zittrigen Fingern, und wenn das passiert, dann will er das große Geld abgreifen.
»Bernd«, sagt er zu mir, du kennst Dich ja nur mit Papier aus, aber das da unten atmet. Und einmal muss das anders. Das muss einfach anders.«
»Klar«, sag ich nicke stumm.«
Die Pferde da unten stoßen ihren dampfenden Atem aus. Laufen sich gerade im ersten Heat warm und sehen aus, als würden sie mit sich ein kleines Wölkchen über die Bahn schieben.
»Ob so ein Pferd weiß, wenn es gewinnt?«, frage ich.
»Run-Run?«
»Für den Gaul ist es die wahre Welt da unten . Für uns steht er im Scheinwerferlicht, aber für ihn ist es die wahre Welt.«
»Willst du jetzt ablenken?«, fragt Jan.
»Er wartet«, sage ich. »Er weiß genau, gleich dröhnt der Lautsprecher. Start. Und dann tut es ihm weh und später wartet der gemütliche Stall. Nein, vorher wird er noch abgerieben.«
Jan sieht mich an, als hätte ich ihm gerade einen Mord gebeichtet.
»Erzähl keinen Unsinn«, sagt Jan. »Einmal knickt er weg, einmal bleibt der stehen.« Dann macht er eine wegwerfende Geste und schweigt wieder.
So ist das, wenn man gegen die Serie spielt. Da muss man einen langen Atem haben.
Ich verstehe ja nichts von Pferden, für mich ist dies hier eher Lotto. Ich sehe das mit ganz anderen Augen. Wenn ich zu lange auf die Gespanne starre, die sich unten auf der Bahn warm fahren, verknalle ich mich in die schönsten Trikots. Furchtbar.
Dann denke ich, das rote Trikot, das ist es, das rote Trikot kommt jetzt, muss jetzt kommen. Und es wird zu einer fixen Idee und ich muss das schöne rote Trikot wetten, egal was für ein Esel vor dem Sulky läuft. Also gucke ich lieber gar nicht erst hin, sondern spiele Zahlen. 5 - 2- 8. Schon seit Monaten.
Jan mit den traurigen Augen ist schlimmer dran. Letzten Sonntag wäre er fast an seinem System erstickt.
Das kam so: Jan sitzt friedlich an seinem Tisch und freut sich auf das Rennen mit Run-Run. Eigentlich freut er sich nicht, denn in den letzten Monaten hat er immer verloren, wenn der am Start war.
Zunächst war es, wie gesagt, eine seiner fixen Ideen: Gewinnen, wenn der Gaul mal nicht kommt, das große Geld abziehen. Gegen die Serie spielen. Irgendwie hat sich das in seinem Kopf verknotet.
Also, Jan sitzt friedlich an seinem Tisch und ist sich treu. Als Erstes kommt die Comtessa. Die Comtessa heißt eigentlich Gerti und ist hier auf der Bahn die Wahrsagerin. Die Comtessa hat was Dunkles, nein, nicht nur wegen ihrer Zähne. Gerti ist auch anders dunkel.
Sie hat immer einen dunklen Spruch auf Lager, den muss man nur richtig deuten und auf dem Tippzettel unterbringen. Dann würde man auch gewinnen. Sagt Gerti. Kaum sitzt sie am Tisch, ordert sie beim Kellner immer gleich »Labskaus mit extra Spiegelei«. Sie matscht alles ordentlich durch und an den Fleischfasern und dem Schleim vom Eigelb kann sie die Zukunft erkennen. Sagt sie.
Sie setzt sich also an Jans Tisch und keine drei Minuten später kommt der von den Grünen oder wars die FDP? Himmel, wer soll sich all die Parteien merken? Ein ehemaliger Minister oder so. Oder ein Pressesprecher? Jedenfalls war er oft im Fernsehen. Also der setzt sich an den Tisch von Jan. Wahrscheinlich hat er wieder erzählt, dass Hemingway, ... das ist ein Schriftsteller, dass Hemingway sein Geld auch auf der Rennbahn verdient hat. Das ist seine Lieblingsgeschichte. Er kann aber auch andere.
Und damit sie auch fein zuhören, gibt er der Comtessa einen Kaffee und ein Stück Kuchen aus. Jan bestellt sich ein Bier und auch der Minister selbst hat Hunger.
»Einmal Tagesgericht«, sagt er zum Ober. Der marschiert los, um die Bockwurst mit Kartoffelsalat zu holen. Für 5,80 Euro. Sind ziemlich viele alte Leute auf der Rennbahn, deshalb achten die Köche beim Tagesgericht immer darauf, dass die Zähne nicht zu sehr beansprucht werden. Labskaus gibt's ganz oft. Und Sülze. Weil man die nicht so kauen muss wie Sauerfleisch. In der Küche vom »Trabertreff« wird mitgedacht.
Die Drei sitzen friedlich beieinander und fummeln ihre Wetten zusammen. Und weil alles so schön harmonisch ist, setze ich mich dazu und auch Hermann nimmt Platz. Hermann ist ein echter Experte. Der jongliert mit Bank- und Schiebepferden und analysiert den Formspiegel der Gäule und die Launen der Fahrer. Hat immer heiße Tipps aus den Ställen. Ein echter Tüftler, der Hermann.
Reich ist er noch nicht geworden, aber er hat eine schwere Goldkette um den
Weitere Kostenlose Bücher