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Tod to go (Crime Shorties)

Tod to go (Crime Shorties)

Titel: Tod to go (Crime Shorties) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
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streifte er sich immer wieder nach hinten. Dabei nickte er stumm.
    Die Frau erinnerte mich an meine Lieblingsschauspielerin. Haare straff nach hinten gekämmt und mit einem Band zu einem Pferdeschwanz zusammengehalten, der Haaransatz streng, leicht gewölbte Stirn, die Nase gerade, die Augen ein Paar angebrochener Spiegel. Ja, so hätte Romy Schneider ausgesehen, wenn sie zwanzig Jahre länger gelebt hätte.
    Vielleicht war es ihre trotzige Traurigkeit, vielleicht ihre Ähnlichkeit mit Romy, heute weiß ich nicht mehr, was mich dazu brachte, sie anzusprechen.
    Ich drehte mich mit dem Glas in der Hand zu den Beiden um. Eine ausgebaute Dachkammer hätte ich zu bieten, frische Bettwäsche sei auch da, und wenn sie denn unbedingt bleiben wollten, na dann könnten sie es sich ja überlegen. Nur Bettenmachen, das müssten sie schon selbst erledigen.
    »Mit Blick auf das Meer?«, fragte sie.
    Ja, ein Fenster sei vorhanden, sagte ich, und wo auf der Hallig ein Fenster sei, da gebe es auch den Meerblick, der ließe sich gar nicht vermeiden.
    »Das ist der Vorteil, wenn der liebe Gott schon mal eine Handvoll Erde in die See wirft. Einverstanden?«
    »Ich weiß nicht«, sagte er.
    Sie war sofort einverstanden. Vierzig Euro verlangte ich für die Übernachtung und sagte, dass sie sich Zeit lassen sollten, auch ich würde erstmal in Ruhe mein Bier austrinken. Sie strahlte mich an und bestellte einen Pharisäer.
    Draußen zog sich das Meer zurück, hinterließ einen breiter werdenden Streifen aus Schlick und Tümpeln. Priele schlängelten sich durch das Watt, Silbermöwen und Austernfischer durchpflügten den Schlick nach Krebsen und Würmern.
    Anna warf mir wütende Blicke zu. Das Trinkgeld des Pärchens steckte sie mit einem spitzen »Danke« in ihre Schürze. Ich nahm die Tasche der Frau und wir machten uns auf den Weg zu meiner Warft.
    »Wissen Sie, es ist überaus wichtig, dass wir ein paar Tage bleiben können«, sagte sie. Ich hatte nur mit einer Übernachtung gerechnet und überschlug im Kopf meinen Vorrat an Brot und Kaffee.
    »Wird es Sturm geben?«, fragte er.
    Ich lachte. Mit Sicherheit sei das nicht zu sagen, aber es sähe nicht danach aus. Sie sollten sich keine Sorgen machen: »Notfalls werden wir mit dem Hubschrauber direkt vom Dach abgeholt.«
    Kurz vor dem Haus stellten sie sich vor.
    »Heldmann«, sagte er, »Wir heißen Heldmann. Das war überaus freundlich von Ihnen.«
    Ich erwiderte ein »Selbstverständlich«, und dass man sich hier mitten in der Nordsee helfen müsse, war dann aber doch enttäuscht, als wir vor meiner Warft standen. Ich bin es gewöhnt, dass Spaziergänger in Entzückensschreie ausbrechen. Wegen der Schafe davor, den Kühen oder weil sich Panda, mein Kater, auf der Bank vor dem Haus sonnt. Er liegt fast immer da. Außer in der Nacht, da kämpfen wir um die Bettdecke.
    Panda streckte sich gelangweilt in der Herbstsonne, aber sie sagten nichts, standen nur hinter mir, warteten darauf, dass ich die Haustür öffnete.
    Geräuschvoll zog sie die Salzluft durch die Nase.
    Bis zu diesem Zeitpunkt hielt ich sie für ganz normale Städter, doch schon in der ersten Nacht verließen sie das Haus.
     
    Es war so gegen Mitternacht, als ich sie hörte. Draußen gab es in dieser stern- und mondlosen Nacht nichts, was einen vor die Tür locken konnte. Aber was wusste ich schon davon, was Gäste in der Nacht treiben? Eine Taschenlampe müssen sie sich mitgebracht haben, dachte ich, dann schlief ich ein.
    Etwa zwei Stunden später weckten mich die quietschenden Türangeln. In meinen Ohren dröhnte der Lärm, den zwei Menschen verursachen, die sich bemühen, leise eine hundert Jahre alte Treppe hinaufzusteigen. Sie kicherte wie ein junges Mädchen. Er zischte sie an. Auch ihre Stimme wurde schneidend. Die beiden schienen Streit zu haben.
    »Ich mache dir keinen Vorwurf«, sagte sie. »Schließlich bin ich eine alte Frau und dann diese Krankheit ...«
    »Was hat das damit zu tun?«
    »Es ist gut so. Allerdings wirst du ohne mein Geld auskommen müssen.«
    »Aber ich will mich doch gar nicht trennen.«
    »Ich will es«, sagte sie.
    Von draußen drang ein helles Knirschen in das Haus. Das war das Geräusch der Halligen. Der vom Meer aufgewühlte Sand scheuert die Gerippe blank. Es sind immer die Orte, die den Menschen machen. Die Orte machen die Musik, und die Musik auf den Halligen ist das Knirschen von Sand und Gerippen und das Brüllen des Meeres. So viele Knochen, die da im Schlick aneinander reiben, die

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