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Tod to go (Crime Shorties)

Tod to go (Crime Shorties)

Titel: Tod to go (Crime Shorties) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
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sich nicht rasiert, sein geschorener Schädel war mit Schorf übersät. Er befühlte seine hervorspringenden Wangenknochen. Bestimmt würde sie das verstehen. Aber beim nächsten Mal wollte er vorbereitet sein. Vielleicht konnte er ein wenig Wasser aufsparen, um sich den Kopf zu waschen?
    Die Frau drehte sich und ein Meer von Haaren ergoss sich über die Zellenwand. Nikos streckte die Hand aus, wollte diese Locken berühren. Doch der Kopf wirbelte zur Seite. Nikos zog rasch die Hand zurück. Die Frau nickte ihm zu. Lächelnd.
    Ja, sie hat den Mund geöffnet, dachte Nikos, bestimmt hat sie den Mund geöffnet.
    Das Bild verlosch und der Halbschatten, den die Bretterwand herüberschickte, tauchte die Zelle wieder in dämmriges Licht.
    Wie lange die Frau in seiner Zelle gewesen war, konnte Nikos nicht sagen. Aber eines war sicher, die Frau hatte sich mit einem Lächeln verabschiedet. Sie würde wiederkommen. Ganz bestimmt.
    Immer am Sonntag, kurz, nachdem die Klappen an den Zellentüren geöffnet wurden, erzählte Nikos seinem Zellennachbarn Arsenio vom Film des letzten Abends. Wie oft auch immer ein Film wiederholt wurde, Arsenio bestand darauf, dass Nikos ihm die Handlung bis in alle Einzelheiten ausmalte.
    Manchmal unterbrach er Nikos, wenn dieser etwas vergessen hatte und fragte, was die Frau auf der »African Queen« genau gesagt, ob Angst in ihrer Stimme gelegen hatte. Und später fragte Arsenio, ob Schweiß von ihrer Stirn getropft war. Natürlich wusste er, dass Nikos die Filme nicht sehen konnte, doch Nikos schilderte das Dickicht des Urwaldes, die lauernden wilden Tiere, beschrieb das Aussehen des Malteser Falken.
    »Und ist die Blonde wirklich so hübsch, ich meine die, die zu ihm ins Büro kommt? Die mit den langen Beinen?«
    »Platinblondes Haar«, sagte Nikos, der keine Ahnung hatte, wie platinblondes Haar aussah. Platinblond, das musste sein wie das abendliche Leuchten der Stoßstange, die einmal drei Monate auf dem Rasenstück gelegen hatte. Dann hatten johlende Kinder sie weggezogen.
    Am Tag, nachdem Nikos die Frau in seiner Zelle getroffen hatte, erzählte er Arsenio von seiner Begegnung.
    »Eine Frau in deiner Zelle? Spinnst du?«
    »Natürlich nicht wirklich, der Projektor wurde gerichtet, aber sie erschien an meiner Wand.«
    »Was für eine verfluchte Scheiße, und ich habe geschlafen, verdammt noch mal. Nikos, was wollte sie?«
    Nikos ließ sich auf die Pritsche fallen. Wenn er zur Wand sprach, konnte Arsenio ihn besser verstehen.
    »Versuch dich zu erinnern«, sagte Arsenio.
    »Sie sagt, ich würde bald die Sonne wieder sehen.«
    »Aber die sehe ich jeden Tag. Soll das alles sein, die Sonne wieder sehen?«
    »Sie hat gesagt, wir ...«
    »Wir, Nikos? Wir? Hat sie damit auch mich gemeint?«
    Nikos versuchte, sich alle Einzelheiten dieses Gesichts in Erinnerung zu rufen.
    »Nikos, wieso >wir    »Wir haben uns über den Film unterhalten.«
    »Den Film?«
    »Sie ist Schauspielerin.«
    »Davon hast du noch nichts gesagt. Muss ich dir alles aus der Nase ziehen?«
    Nikos rutschte auf den hinteren Rand der Pritsche, lehnte den Rücken an die Mauer und zog die Füße unter seinen Körper. Im unteren Stockwerk schlugen Wärter mit ihren Gummiknüppeln gegen die Gitter.
    »Bist du noch da?«, fragte Arsenio.
    »Ich bin gerade runter zum Strand, du Idiot.«
    Vom Meer zog der Geruch nach Salz und Fisch in seine Zelle. Sie würde wiederkommen. Aber wann?
     
    Die Wochen vergingen. Jeden Samstagabend, wenn sich die Menschen schwatzend auf die Kinobänke setzten und Popcorn kauten, Händler eisgekühlte Getränke feilboten und Nusshändler ihre Wagen vorbei an den Zuschauern zogen, genau zu dieser Stunde wusch sich Nikos den Kopf. Die ganze Woche über sparte er das Wasser in einer verrosteten Konservendose.
    »Nikos, was ist? Kommt heute deine Braut?«, fragte Arsenio.
    Nikos stellte vorsichtig die halbgefüllte Konservendose unter das Bett.
    Er besaß jetzt Wasser im Überfluss, war vorsichtig damit umgegangen.
    Mit einem Nagel hatte er die Lackreste und Kritzeleien von der Wand gekratzt und die Rußflecken mit ein wenig Wasser entfernt. Seine beiden Hemdsärmel hatte er an der Wand zerrieben. Einmal, da hatte ihn der Durst so gequält, dass er kein Wasser für die Wand übrig behielt. Einen Versager hatte er sich geschimpft und zur Strafe eine Nacht auf dem Fußboden geschlafen. Ja, das hatte er verdient. Was sollte sie von ihm denken?
    Hoffentlich kommt sie nicht ausgerechnet

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