Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod to go (Crime Shorties)

Tod to go (Crime Shorties)

Titel: Tod to go (Crime Shorties) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
Vom Netzwerk:
sich zurechtlegen und wieder vom Meer unterspült werden und sich erneut zurechtlegen müssen. Das abgesoffene Vieh, die Sturmfluten, die sich Land und Menschen und Tiere herausgebissen haben, all das kann man hören. Manchmal wird ein Gerippe angespült.
    Ich fragte mich, was meine Besucher draußen gesucht hatten. Mit aufkommendem Südwestwind schlief ich ein.
    Am nächsten Morgen erschienen sie sehr früh in der Veranda. Für mich war es ungewohnt, Gäste zu bekochen, doch es machte mir Spaß. Der Graben konnte warten.
    Heldmann wirkte heute noch fahriger beim Zurückstreifen seiner Strähnen.
    »Ich hoffe, wir haben Sie nicht geweckt«, sagte sie. Mit ihrem schelmischen Romylächeln machte sie mir Komplimente: »Der Kaffee … so was habe ich noch nie getrunken.«
    Schon an diesem ersten Morgen zog sie mich auf eine magische Art ins Vertrauen.
    »Danke«, sagte ich. Heldmann musterte mich stumm und mit vorwurfsvoller Miene. Ich machte, dass ich in die Küche kam.
    Panda kratzte an der geschlossenen Verandatür.
    Ich kümmerte mich um mein Vieh, warf Heu in die Pferdeboxen und melkte meine drei Kühe. Dem kranken Schaf spritzte ich ein Antibiotikum.
    Mein Kater Panda beobachtete mich neugierig. Es schien ihm nicht zu passen, dass Besucher Unordnung ins Haus brachten, womöglich seine Sonnenbank belegten oder den Zutritt zur Veranda versperrten. Panda hatte etwas gegen versperrte Türen.
    Während der Arbeit sah ich, wie meine Gäste zur Kirchwarft hinüberspazierten. Sie wollten sich die Gräber ansehen und die Kirche mit der angeschwemmten Jesusfigur. Die Halligbewohner hatten es als Zeichen betrachtet, auf der Insel zu bleiben. Auch das angeschwemmte eingebaute Gestühl stammte aus einer längst untergegangenen Kirche.
    Ich sah Heldmann heftig gestikulieren. Sie schlang sich ihren Schal ein zweites Mal um den Hals, schüttelte dann den Kopf. Er versuchte sie unterzuhaken, sie zog ihren Arm weg. Es sah es aus, als würde er sich mit einem Schwall aus Worten rechtfertigen.
    Am Abend klopfte Heldmann an meine Tür. Er entschuldigte sich für die nächtliche Störung. Nichts dabei denken sollte ich mir.
    Ich winkte ab.
    Er fragte, ob ich eine stärkere Glühbirne hätte, sie wollten sich Fotos anschauen. Ich ging in die Kammer, kramte eine Birne aus dem Regal und wollte mit ihm die Treppe hinaufsteigen.
    »Bemühen Sie sich nicht«, sagte er und nahm mir die Birne aus der Hand. Auf der Treppe drehte er sich noch einmal um.
    »Glauben Sie, dass es Sturm gibt?«
    Ich sagte, das könne man nie wissen, das braue sich manchmal sehr plötzlich zusammen, aber es sehe nicht danach aus.
    Das war der zweite Abend.
    So verliefen die ersten vier Tage. Beim Frühstück wechselte ich mit Romy Heldmann zwei bis drei Sätze. Dann brachen sie zu einem Spaziergang auf, hockten anschließend im Zimmer, um mitten in der Nacht erneut über die Hallig zu streifen. Manchmal hörte ich ihre dunkle Stimme und das Krächzen ihres Mannes.
    Jeden Abend fehlte etwas. War es erst die Glühbirne, fragte Heldmann mich am dritten Abend nach einem Seil, am Vierten nach Gummistiefeln und am Fünften nach einer Seekarte.
    Ich schaffte alles herbei und warnte vor eigenmächtigen Wattwanderungen. Ansonsten wurde kaum gesprochen.
    Dabei sind wir es, die wortkarg geschimpft werden. Unbeholfene Schweiger seien wir Halligbewohner, geschlagen mit gediegener Grämlichkeit. Klar, wenn man gegen den Lärm des Meeres anbrüllen muss, wenn man sich im Laufe der Jahre die Ohren taub geschrien hat, dann geht man vorsichtig um mit den Worten. Aber so gar nichts sagen?
    Romys blasse Wangen bekamen Farbe und sie lachte auch öfters. Es schien, als würde sie ihren Mann immer weniger beachten, ihn hinnehmen wie einen lästigen Begleiter.
    Es war am sechsten Tag. Ein kräftiger Nordwest zog auf. Windböen bis elf. Das Kreischen der Möwen war nicht mehr zu hören und über dem Meer sprühte die Gischt. Ich brachte das Vieh in den Stall.
    Ab Windstärke zehn läuft in meinem Kopf ein Film. Als Zehnjähriger musste ich mit meinen Eltern die Hallig verlassen. Hubschrauber gab es für uns noch nicht. Wir kletterten aufs Dach, die Husumer Wasserwerke hatten einen Seenotkreuzer versprochen. Unter uns schlug das Wasser an die Mauern, drückte sich durch den Türspalt.
    Der Ton zu diesem Film ist das Brüllen der Kühe und Pferde, die unter uns in ihren Boxen ersoffen. Mein Vater presste die Hände auf die Ohren, wollte hinunter, die Tiere erschießen, doch ein Nachbar, der

Weitere Kostenlose Bücher