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Tod to go (Crime Shorties)

Tod to go (Crime Shorties)

Titel: Tod to go (Crime Shorties) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
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lange eine falsche Leiche ans Bein gebunden. Und alles nur, weil er sich nicht getraut hat, nachzusehen. Vielleicht wollten sie ihn so zum Schweigen bringen. Der Versicherungsbetrug sollte schließlich nicht herauskommen.
    Ich habe den toten Kapitän dann auf dem Peerkarghof, dem Tierfriedhof begraben. Direkt neben Alf von Wetterau, Peterle und einem Frosch. Der hat übrigens einen schönen Grabstein: »Laubfrosch aus Lütetsburg. Ins Jännseits gehopptzt am 19. September.«
    Da hab ich ihn bestattet. Ist ja schließlich geweihter Boden und da sucht niemand.
    Und als ich gerade die Schaufel zur Seite lege, da ist mir plötzlich, als wenn ein tiefer Seufzer der Erleichterung durch das Argonner Wäldchen rollt, die Bäume zittern lässt und ein wenig die Blätter schüttelt. Lukas, denk ich mir, der gute alte Lukas hat jetzt endlich seine Ruhe gefunden.
    Ja, Ruhe ist was Schönes. Aber manchmal, wenn ich meine Fahrpläne einsortiere, das Bahnschild poliere und den Sand vom Boden fege, also dann wünsche ich mir doch, das einmal, nur ein einziges Mal ein Zug durch meinen Bahnhof fährt. Mit Dampf und heiserem Tuten und allem Drum und Dran.
     

Das Licht von Ägina
     
    Von der Leinwand sah er nur die Rückseite, und genau genommen war es nicht einmal eine Leinwand. Es waren zusammengenagelte und weiß getünchte Bretter, auf denen jeden Samstagabend alte amerikanische Spielfilme gezeigt wurden. Die Holzwand mochte viermal so groß sein wie der Boden seiner Zelle, die ein paar Meter dahinter lag.
    Wer weiß, wenn es eine richtige Leinwand wäre, vielleicht könnte ich die Filme spiegelverkehrt sehen, dachte Nikos. Woche für Woche wartete er auf den Samstag. Der Tag, an dem er die Filme hören konnte.
    »Und? Hast du schon die Kinokarten gekauft?«, fragte Arsenio.
    Er saß seit Monaten in der Nachbarzelle.
    Nikos blickte auf die Bretterwand und auf das Stück Rasen darunter. Manchmal kämpften sich im Frühling ein paar gelbe Blumen durch die Grashalme.
    Auf dem Platz hatte er als Kind mit einer gestopften Ziegenblase Fußball gespielt. Damals, als die Konservenfabrik noch kein Gefängnis war, als noch keine Filme auf der griechischen Insel Ägina gezeigt wurden. Als die Generale in ihren Kasernen kommandierten und noch nicht in den Regierungspalast einmarschiert waren.
    Nur allmählich vertrockneten die Blumen vor seinem Zellenfenster und das eben noch frische Grün verwandelte sich ins Braune.
    Das Gesicht, das er in dem gezackten Stückchen Spiegel sah, war immer blass.
    Kein Sonnenstrahl erreichte sein Zellenfenster. Dafür hatte er die Gespräche und die Musik der alten amerikanischen Filme, die jeden Samstagabend in seine Zelle wehten.
    Sie wurden oft wiederholt, und Nikos lernte ganze Passagen auswendig.
    Er antwortete Katharine Hepburn, bevor Humphrey Bogart antworten konnte, er gab Anweisungen, wie man die »African Queen« am sichersten durch die Stromschnellen steuern konnte, kauerte sich an seine Pritsche, wenn die Kanonenkugeln neben ihm ins Wasser klatschten. Wenn in Rick's Café in Casablanca »A kiss is just a kiss« auf dem Klavier erklang, summte er die Melodie in seiner Zelle mit und schlug die Tasten auf seiner Bettdecke an.
     
    Es war ein ganz normaler Samstag. Draußen wurde der Filmprojektor auf die Bretterleinwand ausgerichtet. In der Dämmerung sah Nikos das in der Luft hin und her zuckende Lichtbündel. Ein Mann brüllte: »Nach links, weiter nach links, ja, und jetzt etwas nach oben, nein, nicht so weit.«
    Nikos stand am Zellenfenster, als ihn der Lichtstrahl traf. Er riss die Hände vor die Augen und wirbelte zur Seite. Langsam rutschte er an der Zellenwand hinunter. Zunächst noch tränenverschleiert, dann immer deutlicher sah er über seiner Pritsche ein pulsierendes Auge. Das riesige Auge einer Frau. Sie musterte ihn. Nikos tippte sich auf die Brust.
    »Ich?«
    Aber wen hätte sie sonst meinen können?
    Ja, sie lächelte ihm zu. Vielleicht sagte sie sogar etwas. Er konnte es nur nicht hören. Nicht einmal wie sie hieß, wusste Nikos und auch nicht, aus welcher Rolle heraus sie in seiner Zelle erschienen war. Sie war einfach da. Blickte ihn mit diesem wundervollen Auge an. Etwas besorgt, aber auch aufmunternd.
    Er musterte die Flecken in der Iris, sah, wie sich die Wimpern ineinander legten. Die Augen blieben einen Moment geschlossen. Auch auf der Sonnenoberfläche sollte es Flecken geben. Für einen Augenblick leuchtete der Ansatz ihrer Nase von der Wand.
    Nikos schämte sich. Er hatte

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