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Tod to go (Crime Shorties)

Tod to go (Crime Shorties)

Titel: Tod to go (Crime Shorties) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
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sprang vom Boot.
    Im alten Hafen scherte das Treiben der Freizeitkapitäne niemanden. Hier zog im Sommer die arbeitende und flanierende Mischung aus Fischern, Bewohnern von Ferienwohnungen und Tagestouristen an der betagten Flotte vorbei. Bewunderte die im 18. Jahrhundert errichteten Häuser und las von den längst untergegangenen Familienclans der Dammes und Ubbens, die sich mit Wappen und Familiennamen an den Giebeln verewigt hatten. Botschaften aus der Zeit des Cirksena’sischen Fürstentums, das die Herrschaft der friesischen Stammeshäuptlinge abgelöst hatte.
    Ich brauchte einen Plan. Ich erwog, ihn zu ersäufen, sein Essen zu vergiften oder ihn mithilfe einer blanken Stromleitung auf seinem Rollstuhl zu rösten. Doch wie das anstellen? Wie wird man zum Täter?
    Ich entschied mich dafür, auf eine günstige Gelegenheit zu warten. Bislang wusste ich ja noch nicht einmal, wo er zu Mittag aß.
    Jeden Morgen um neun Uhr setzte ich mich in das kleine Hafencafé und beobachtete den Eingang zur Pension. Kurz nach zehn wurde er von der jungen Frau zu einer Grasnarbe direkt am Wasser geschoben. Neben dem Rollstuhl hopste ein etwa dreijähriges Mädchen. Ich folgte ihnen, sah, dass sie einen Strandkorb ansteuerten, den jemand ein Stück weiter aufgestellt hatte und der ein wenig Schutz vor der kälter werdenden Brise bot. Mit einer Angel als Tarnung setzte ich mich in die Nähe und versuchte, seinen Blick zu deuten. Wie sah er das kleine Mädchen an? Wirkte es verschüchtert? Ängstlich?
    »Opa, Schaufel!«, sagte sie und streckte ihm eine Plastikschaufel entgegen.
    Er nickte ihr zu, wuchtete sich vom Rollstuhl ins Gras und begann, Plastikspielzeug in einen Eimer zu legen. Die Kleine sammelte Steine und stapelte sie zu kleinen Türmchen vor ihm auf. Immer wenn sie wieder zusammenfielen, quietschte das Kind vor Vergnügen.
    Die Mutter saß neben den Beiden, lächelte ihnen zu und vertiefte sich wieder in ihrer Zeitschrift.
    Am Besten wäre es, die Sache im Wasser zu erledigen. Oder doch lieber lebendig begraben? Aber wie sollte ich das unbemerkt anstellen?
    Und dann kam die Gelegenheit. Direkt neben mir im Sand blitzte eine Stricknadel auf, die jemand hier verloren hatte. Mit einer Decke umschlungen saß er im Strandkorb und war eingeknickt. Die Tochter, und um die musste es sich wegen ihrer Vertrautheit handeln und ihr Kind liefen ein paar Hundert Meter entfernt die Wasserlinie entlang.
    Die Nadel im Ärmel verborgen trat ich hinter seinen Strandkorb. Ich musste nur kräftig genug zustoßen. Da der Korb dicht an einem mit Strandhafer bewachsenen Sandwall stand, würde mich mit ein wenig Glück niemand bemerken. Ein kräftiger Stoß musste es sein. In den Hals oder in sein Herz.
    Ich hatte die Nadel schon einen Zentimeter durch ein passendes Loch im Korbgeflecht gesteckt, als ich vor mir diesen Blick sah, der auf meinem Körper brannte.
    Plötzlich ertönte das fröhliche Quieken seiner Enkelin, die uns entgegen lief.
    »Opa, Muschel«, rief sie und stapfte mit ihrem Eimer auf ihn zu. Ich zog die Nadel vorsichtig wieder heraus.
    Doch mein Entschluss stand fest. Und um ihn zu bekräftigen, entschloss ich mich zu einer kleinen vorgezogenen Siegesfeier in meinem Ferienappartement. Ich würde über die Angst triumphieren. Nach all den Jahren! Mein Essen sollte ein vorgezogenes Abendmahl sein, eine feierliche Beschwörung.
    In Emden besorgte ich alle Zutaten, stellte Kerzen auf den Tisch und kochte. Fischmousse mit Forellenkaviar als Entree, dann ein kaltes rosa Roastbeef und dazu eine selbst gemachte Aioli mit Brot. Mit jedem Bissen feierte ich meine baldige Erlösung.
    Am nächsten Abend saß ich wieder in meinem Lieblingscafé und trank einen Pharisäer.
    Er saß direkt an der kleinen Kaimauer und sah auf das Wasser. Neben ihm kurvte die Enkelin mit ihrem Dreirad um seinen Rollstuhl. Trotz der winterlichen Temperaturen trug sie leuchtende Schwimmflügel an ihren Armen.
    »Opa abmachen«, sagte sie und stieg von ihrem Gefährt.
    »Ist ja noch kein Sommer«, sagte er.
    Er hob sie auf seinen Schoß, entfernte die Flügel und öffnete die Luftventile. Sorgfältig faltete er sie zusammen, doch das kleine Mädchen zupfte ihm die Flügel aus der Hand und band damit seine Handgelenke am Rollstuhl fest. Mit großer Hingabe klippte sie die Verschlüsse der Flügel zusammen und sagte: »Opa, schwimmen.«
    »Jetzt hast du mich doch tatsächlich gefesselt«, sagte er und lachte.
    Das Mädchen hopste von seinem Schoß und stieg wieder

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