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Tod to go (Crime Shorties)

Tod to go (Crime Shorties)

Titel: Tod to go (Crime Shorties) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
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auf sein Dreirad.
    Während er in die Wintersonne blinzelte, kurvte sie weiter um seinen Rollstuhl, entfernte sich drei Meter, wendete und trat kräftig in die Pedalen. Ungebremst stieß sie gegen den Rollstuhl. Der bewegt sich wie in Zeitlupe auf die Kante zu und kippte mit einem Ruck vornüber ins Wasser. Er war so überrascht, dass er keinen Laut herausbrachte.
    Das Mädchen saß einige Sekunden reglos auf ihrem Gefährt und für einen Augenblick sah es so aus, als würde sie gleich zu weinen beginnen. Doch dann stieg sie von ihrem Dreirad ab, bückte sich auf die Kaimauer und sah auf die Wasseroberfläche.
    Als die ersten Blasen aufstiegen, quietschte sie vergnügt, zeigte auf das Wasser und sagte: »Opa.«
    Dann stieg sie wieder auf ihr Dreirad und strampelte fröhlich am Fenster meines Cafés vorbei.
     

Der Jude von Langneß
     
    Gestern haben sie das Gerippe gefunden. War nur eine Frage der Zeit. Der Baggerfahrer sagt, die Uniform sei noch gut zu erkennen gewesen. Auch die SS-Totenkopfabzeichen. Hat nur etwas Dreck dran geklebt.
    Er hat sich eines von den Rangabzeichen abgezogen und in die Tasche gesteckt. Nein, er selbst hätte damit nichts am Hut, aber naja, sein Sohn, der würde so etwas halt sammeln.
    »Warum denn nicht, ich habe den Toten schließlich gefunden?«, hat er gesagt. »Ist doch nur ein Souvenir.«
    Und dann hat den neuen Bürgermeister gerufen. Schließlich müsse einer anordnen, was jetzt passieren soll.
    »Die Arbeit macht sich nicht von allein.«
    Außerdem sei der Bagger in zwei Wochen auf eine andere Baustelle vermietet und vor der ersten Herbstflut müsse die Warft mit dem neuen Erdwall abgesichert sein.
    »Die Polizei muss das schon sehen«, hat der Bürgermeister erwidert. Er konnte sich keinen Reim auf das Skelett unter der Windenwarft machen. Kein Wunder. War noch zu jung damals.
    »Wie kommt denn ein Soldat auf die Hallig?«, hat er gefragt. Aber die anderen haben nichts gesagt. Nur der Sohn vom Pastor hat gemeint, dass es sich vielleicht um einen Deserteur handeln könnte.
    »Von der SS? Nie und nimmer.«
    Ja, heute zum Abend werde ich das Kaddisch, das Totengebet für den Soldaten sprechen. Wer weiß, am Ende wird er ein guter Junge gewesen sein. Nach so langer Zeit hat er seine Chance verdient, da oben.
     
    Vor so vielen Jahren ist er gekommen. Auch eine Hallig dreht sich. Ist immer in Bewegung. Nichts Festes da im Meer. Da wachsen neue Sandbänke und die Priele treiben ihr Wasser in immer neue Verästelungen. Die Halligen schwimmen im Meer wie die Erde im Kosmos. Und dann erscheinen wir. Ein kurzer Aufenthalt. Ein Zwischenstopp. Bewährungsprobe.
    Manchmal ruhen sich seltene Vögel hier aus. Setzen sich unten in den Schlick und fliegen wieder davon. Einfach so.
     
    Wäre der Soldat nur vierzig Jahre später geboren, womöglich wäre er mit einem der Ausflugsboote gekommen. Mit T-Shirt und Sonnenbrille und Handykamera. Hätte sich bei mir ein Fahrrad geliehen ... einer von vielen. Hätte freundlich gewunken und wäre dann runter zur Hankenwarft geradelt. Oder ins Gasthaus.
    Aber er kam zusammen mit einem Trupp und in einem grauen Boot.
    Ich weiß noch, wie unser damaliger Bürgermeister Frerk Hansen durch den Gasthof an den Tischen vorbei auf und ab ging. Sein quadratischer Glatzkopf war hellrosa angelaufen. Schweiß stand auf seiner Stirn. Seine Augenbrauen zuckten.
    »Was will denn die SS hier? Ein paar Soldaten … in Ordnung, aber die SS?«
    Und dann stierte er mit seinen vom vielen Korn zugequollenen Augen aufs Meer, als würde von dort eine Antwort herüberwehen.
    »Warum denn SS?«, sagte er geistesabwesend, setzte sich die Brille auf und zog noch einmal den Brief mit den Totenkopf-Insignien aus der Jackett-Tasche.
    »Die SS hat doch hier nichts zu suchen.«
    »Die haben überall was zu suchen«, sagte der Wirt. »Die fackeln nicht lange.«
    »Was soll das heißen?«
     Der sechzehnjährige Sohn des Bürgermeisters trat durch die Tür. Kurze Hosen.
    »Wegen des Funkgeräts«, meinte er.
    »Um Himmelswillen, was denn für ein Funkgerät?«
    »Na, englische Spione und so.«
    »Unsinn«, sagte der Bürgermeister, doch sein Sohn bestand darauf.
    »Der Feind hört mit«, sagte er verschwörerisch. »Spione warnen den Engländer vor den deutschen Bombern. Die müssen ja hier rüber.«
    Ich hatte mich an einen Ecktisch gesetzt und trank meinen Tee. So komisch das klingt, ich machte mir keinerlei Gedanken. Die SS inspizierte die Hallig, na schön.
    Was ging das mich an? Ich

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