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Tod to go (Crime Shorties)

Tod to go (Crime Shorties)

Titel: Tod to go (Crime Shorties) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
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Sache für mich einen Haken. Heruntergekommen, wie sie aussah, wollte ich mich mir ihr in der kleinen Siedlung nicht blicken lassen.
    Marie war etwas für die Verborgenheit der Scheune. Sie war eine Zuhörerin, aber nicht gerade dafür geeignet, an meiner Seite zu glänzen. Und nach dem »Glänzen« war ich in diesem Sommer süchtig.
    Ja, ich war der Besuch aus dem Westen. Wenn ich ein Kaugummipapier wegwarf, bückten sich hinter mir die anderen Kinder danach, um mit diesem Westmüll ihre Gürtel zu veredeln. Die waren aus Plaste und Elaste, doch wurden sie durch eingesteckte Westreklame zu etwas ganz Besonderem. Verwertet wurde alles, was ich scheinbar so ganz nebenbei fallen ließ.
    Besonders beliebt waren die leeren Zigarettenschachteln, die ich, nachdem mein Vater sie weggeworfen hatte, dieser ganz besonderen Verwertung zuführte. Aber auch Schokopackungen, und dabei wegen der dreieckigen Verpackung besonders Toblerone, oder Kaffeetütchen waren heiß begehrte Aufsammelware.
    Ich ließ liegen, warf weg, schob gönnerhaft über den Tisch oder warf demonstrativ in den Papierkorb in der öffentlichen Badeanstalt.
    Und dann kam der Tag, an dem es Buchstaben schneite. Ja, es segelten tatsächlich Aschefetzen vom Himmel, auf denen Buchstaben und manchmal sogar einzelne Worte zu lesen waren. Fing man sie mit der flachen Hand auf, verfielen sie und übrig blieb ein krümeliger Rest.
    »Kommt das von Gott?«, fragte Maria. Ich versuchte zu lachen, aber Himmel: Da schneiten schwarze Flocken mit Buchstaben aus dem All.
    »Wahrscheinlich aus einem Raumschiff«, sagte ich.
    »Jesus oder von einem Raumschiff?«, fragte ich meine Großmutter und zeigte ihr zwei gut erhaltene Flocken.
    Auf einer war gerade noch das Wort »Herr« zu erkennen. Doch statt sich zu bekreuzigen und dem ihr leibhaftig erschienen Jesus für dieses Zeichen zu danken, schüttelte sie nur den Kopf und zeigte in Richtung der Eisengießerei.
    »Die verbrennen Papier«, sagte sie und fuhr fort, heißes Wasser aus dem am Kachelofen hängenden gusseisernen Behälter in ihr Spülbecken zu schöpfen.
    Es war eine schmachvolle Niederlage. Und an wem ließ ich das aus?
    Marie saß staunend im Gras und lauschte mit offenem Mund meinen Geschichten. Manchmal drang ein Gluckern aus ihrem Bauch, doch sie schien das gar nicht zu bemerken, sondern hing an meinen Lippen. Und je mehr sie die Augen aufriss, desto heftiger schmückte ich meine Geschichten aus. Sie handelten von Raumschiffen und Zeitreisen und Teleportern, mit denen man Objekte in ihre einzelnen Atome zerlegt und an anderer Stelle wieder zusammensetzt.
    »In Bruchteilen von Sekunden, verstehst du Marie? Mit einem Knopfdruck, über Tausende und vielleicht sogar Millionen von Kilometern.«
    All dieses Zeug hatte ich in Perry Rhodan-Heften und Science-Fiction-Magazinen gelesen. Ich steigerte mich immer mehr hinein, schmückte aus, übertrieb, erfand dazu. Und dennoch. Etwas fehlte. Etwas, dass so unglaublich war, dass es mich für immer in ein gottgleiches Wesen verwandelte, das in seiner Güte zu Marie heruntergestiegen war, um sie mit den Wundern und Geheimnissen dieser Welt vertraut zu machen.
     Aus dem Schrank meiner Großmutter holte ich ein weißes Tischtuch, legte ein Stück gefaltetes Papier darauf und zündete es an. Marie sah mich angsterfüllt an.
    Es funktionierte. Im letzten Moment wirbelte das Stückchen Asche mit der kleinen Flamme in die Höhe und verbrannte in der Luft. Marie kreischte vor Vergnügen und schlug sich dann erschrocken die Hand vor den Mund. Schließlich hatte ich ihr eingeschärft, dass niemand etwas von ihr wissen durfte.
    Ich sah ihre leuchtenden Augen und hörte ihr Quietschen. Ich war süchtig nach dieser Anerkennung. Die Technik siegte, siegte über dieses Land, in dem blutjunge Russen durch die Wälder stolperten, in dem die Autos stanken und in dem es noch nicht einmal Leuchtreklamen gab. Und sie siegte über Jesus, denn was ich von mir gab, war real. Zumindest glaubte ich das.
    Und dann wollte ich den Teleporter an ihr ausprobieren.
    »Aber wohin schickst du mich denn?«, fragte sie.
    »Nur ein paar Meter«, sagte ich. »Ich versprech‘s.«
    Ich bugsierte sie auf eine hölzerne Abdeckung, die gleich neben dem Schuppen die Sickergrube abdeckte. Das Haus war nicht an die Kanalisation angeschlossen und hier endete das Rohr des Fall-Klo's.
    Sie stellte sich also auf den Deckel und ich begann, Zeugs aus dem Stall direkt vor ihr auf das Brett zu stapeln. Einen Hobel meines

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