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Tod und Schinken: Krimi (German Edition)

Tod und Schinken: Krimi (German Edition)

Titel: Tod und Schinken: Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Voehl
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Rezeption vorbei. Die ist gerade unbesetzt, wie immer um diese Zeit. Nach dem Frühstück wird jede helfende Hand in St. Agnes gebraucht, um die Patienten, die nicht mehr so gut auf den Beinen sind, wieder in ihre Zimmer zu bringen.
    Lotte kennt den Weg. Sie ist ihn viele Dutzend Mal gegangen: Sie tritt durch das Portal und atmet die frische Frühlingsluft ein. Wie gut das tut! Als wäre sie aus einem verschlossenen Sarg geflüchtet.
    Das liegt an den Strahlen. In den ersten Jahren hat sie davon nichts mitbekommen. Erst Adolf hat ihr die Augen geöffnet. Der hat viel vom Krieg erzählt und weiß viel über Strahlen. Einmal hat er davon gesprochen, dass er während seiner Militärzeit beim Mitteldeutschen Werk in Arnstadt an einem Geheimprojekt gearbeitet habe. Hitler selbst habe ihnen den Auftrag erteilt, eine Strahlenwaffe zu entwickeln. Eine Waffe, mit der man die Gegner atomisieren könne.
    Das Thema Strahlen hat den Adolf, also ihren Zimmernachbarn, nie mehr losgelassen. Er hat herausgefunden, dass die Geheimdienste uns bis heute mit Strahlen bombardieren.
    Erst hat sie das alles nicht geglaubt. Auch nicht, dass es in St. Agnes überall diese Strahlen gibt. Aber dann hat ihre Nachbarin, Hertha Speckbrock, behauptet, dass einer der Pfleger ihr an den Kopf geworfen habe, sie sei ja total verstrahlt. Dabei hat sie ihm nur von dem schwarzen Mann erzählt, der Nacht für Nacht vor ihrem Bett stand.
    Am nächsten Tag haben sie sie abgeholt. Auf einer Bahre. In einem schwarzen Wagen.
    Natürlich kennt Lotte den Ausdruck »verstrahlt«. Sie ist ja nicht von gestern. In der Sprache der Jungen heißt das so viel wie »plempem«. Der junge Pfleger hat Hertha Speckbrock damit sagen wollen, dass sie nicht mehr ganz dicht sei.
    Aber es kann kein Zufall sein, dass Hertha einen Tag später, nachdem sie sich Lotte anvertraut hat, plötzlich gestorben ist.
    Und überhaupt: Auch Lotte hat den Schwarzen Mann schon mehrmals gesehen.
    Seit Herthas Tod jedenfalls ist sie misstrauisch geworden und hat »die Zeichen«, von denen Adolf immer spricht, gedeutet: die tote Katze, die ist nicht überfahren worden, sondern verstrahlt!
    In letzter Zeit hat sie keinen Besuch mehr bekommen. Und dann ist ihr Lieschen eingefallen. Mit der wird sie sich mal über diese Strahlen unterhalten. Mal hören, was die meint. Und vielleicht hat sie ja eine Idee, was man dagegen tun kann.
    Lieschen war schon als Kind die Pfiffigste von allen.
    An der Hauptstraße guckt Lotte nach links und nach rechts, immer wieder, bis kein Auto mehr zu sehen ist. Selbst wenn die Wagen noch weit entfernt zu sein scheinen, rasen die doch immer so. Nein, da wartet sie lieber mal fünf Minuten länger, bevor sie überfahren wird. Obwohl es hier auch eine Fußgängerampel und einen Zebrastreifen gibt. Aber denen traut sie nicht.
    Auf der gegenüberliegenden Seite ist die Bushaltestelle. Jede Stunde fährt ein Bus Richtung Detmold.
    Sie muss nicht lange warten, bis der Bus kommt: Fünf Minuten später hilft ihr ein freundlicher Fahrer die Stufen hinauf, führt sie zu einem Behindertenplatz und kümmert sich um ihren Rollator.
    Nachdem er sie in Detmold abgesetzt hat, verblasst sie bereits in seinem Gedächtnis. Er freut sich auf das Mittagessen, das ihn zu Hause erwartet, wenn er seinen Dienst beendet hat.
    Später, als die Polizei nach Lotte Unverzagt fahndet, wird er sich nicht melden.
    Weil er sich nicht mehr an sie erinnert.

15.
    Ich erwachte, weil sich eine feuchte, behaarte Schnauze auf meine Wange legte. Als ich die Augen öffnete, erkannte ich Luna.
    »Guten Morgen, mein Mädchen«, begrüßte ich sie mit schlaftrunkener Stimme. Dafür leckte sie mir über das Gesicht.
    Es roch nach Rindfleisch und Karotten.
    »Vernachlässigst du deine Frauen immer so?«, fragte Hermine. Sie stand plötzlich in der Schlafzimmertür und schaute kopfschüttelnd zu mir. »Luna war total ausgehungert, als ich gestern Abend gekommen bin. Sie hat ganz aufgeregt an der Tür gejault und musste Gassi gehen.«
    Das klang tatsächlich wie ein Vorwurf. Und den Schuh zog ich mir an.
    »Normalerweise nicht«, erwiderte ich lahm. »Die Nacht war länger als gedacht.«
    »Eine Nacht ist für alle gleich lang. Versuche nicht, dich rauszureden, Moritz.«
    »Hast du ihr was zu fressen gegeben?«, fragte ich ausweichend.
    »Zum Frühstück, ja. Und für dich kann ich auch was machen. Dein Kühlschrank ist zwar so gut wie leer, aber für einen Strammen Max reicht es. Oder magst du heute Morgen lieber nur

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