Tod und Schinken: Krimi (German Edition)
sie: »Aha, Typ einsamer Wolf. Keine Sorge, hier bleibst du nicht lang allein.«
»Und du?«, fragte ich und ging in die Offensive. »Wer bist du? Gehört dir der Laden?«
Sie sah mich an, als versuchte sie zu erforschen, wie viel ich wusste. Dann antwortete sie: »Nein, ich bin nur die Geschäftsführerin. Früher hat das Red Cave Abby gehört.
Deswegen hatte er mich hierher geführt.
»Und der Türsteher?«
»Der ist neu. Er wusste nicht, wen er vor sich hatte.«
»Kann vorkommen«, sagte ich, und sie nickte.
Ich sah mich um. Die Tanzfläche war noch immer rappelvoll. Irgendwo dazwischen ragte Abby Ackergoldt zwischen all den anderen Tänzern heraus. Mittlerweile lief The Temple of Love von den Sisters of Mercy.
Bis auf eine war nun bei allen Nischen der Vorhang zugezogen. Ich ließ den Blick unauffällig über die Bar schweifen. Einige der alten Männer hatten gleich mehrere junge Frauen im Schlepptau.
»Ist das hier eine Art Bordell?«, erkundigte ich mich.
»Bordell? Was hast du denn für spießige Vorstellungen? Hier muss niemand zahlen. Die Mädchen kommen freiwillig …«
Ich trank mein Glas aus und bestellte einen Zombie hinterher. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich inzwischen einen Punkt erreicht hatte, wo der Alkohol keine Wirkung mehr zeigte. Jedenfalls nicht spürbar, so wie ich es gern gehabt hätte.
»Vor allem die Männer kommen sicher gern hierher«, sagte ich spöttisch.
Sie zuckte mit den Schultern. »Das System reguliert sich selbst.«
»Indem die Männer die Frauen aushalten, und die Frauen dafür mit ihrem Körper bezahlen?«
»Du brauchst es ja nicht machen. Alles hier ist freiwillig, verstehst du?«
Das sah ich nicht so. Ich deutete in die Runde: »Hier sind bestimmt eine Menge Studentinnen, die sich das Zimmer nicht leisten können … Kommen die freiwillig?«
»Mir kommen die Tränen. Ja, und bevor du weiter den Moralapostel spielst, sag ich dir gleich, dass du hier bestimmt auch ein paar professionelle Nutten findest, obwohl wir darauf achten, wo die herkommen. Und aus welchen Gründen. Und ein paar Drogensüchtige sind auch hier. Die kommen her, um sich das Geld für den nächsten Schuss zu verdienen.«
»Freiwillig«, ergänzte ich, und mir kam fast das Kotzen. »Ihr stellt euch nicht der Wirklichkeit. Ihr guckt nicht hinter die Fassade. Hauptsache, ihr zieht hier genug Kohle raus. Wie, das ist egal. Und dafür soll man euch auch noch einen Verdienstorden anstecken.«
»Oh Gott! Wen hat Abby sich denn da angelacht?«
Sie ließ mich stehen, und das war gut so. Ich trank den Zombie mit wenigen Schlucken aus und wartete auf die Wirkung.
Auch diesmal kam sie nicht. Ab da trank ich nur noch Wasser. Irgendwann wechselte die Musik. Stay von Shakespeare’s Sister erklang. Ein furchtbarer Schmachtfetzen! Trotzdem flüchtete niemand von der Tanzfläche. Im Gegenteil, die füllte sich weiter. Viele Pärchen tanzten nun eng umschlungen. Abby Ackergoldt bewegte sich allein ganz langsam im Kreis, die Arme um den mächtigen Körper geschlungen.
Ich schaute auf die Uhr. Es war zwei Uhr in der Nacht. Ich seufzte und bestellte noch ein Wasser. Nach einiger Zeit setzte ich mich in eine Ecke. Dort gab es ein paar bequeme Sessel. Irgendwann forderten mich zwei Frauen zum Tanzen auf und zogen beleidigt von dannen, nachdem ich ihnen einen Korb gegeben hatte. Eine sagte: »Heute ist Schwesternnacht, kapiert?«
»Ne, der kapiert gar nichts mehr«, ergänzte die andere. »Der ist hinüber.«
Die Augen fielen mir zu, und als ich sie wieder öffnete, stellte ich fest, dass ich kurz eingeschlafen war.
Ich hatte geträumt, mein Handy habe geklingelt. Ich schaute auf das Display und sah, dass ich zwei Anrufe verpasst hatte. Ich fluchte, als ich sah, dass einer von Abendroth gewesen war.
Ich stand von meinem Sessel auf und ging die Treppe hoch. Der Türsteher war von einem anderen abgelöst worden. Ich konnte nur hoffen, dass es nicht für immer war.
Die Nachtluft draußen tat gut. Obwohl nur ein lauer Wind ging, genoss ich ihn auf meiner schweißnassen Haut. Mehrere Grüppchen hatten sich ebenfalls nach draußen begeben. Viele von ihnen waren Raucher. Vier, fünf Taxis standen am Straßenrand. Soeben fuhr eines los. Ein alter Mann und zwei junge Frauen saßen im Fond.
Ich wählte Abendroths Nummer. Der Ruf ging durch, ohne dass jemand abhob.
»Na, hat deine Süße dich versetzt?«, sprach mich ein Mädchen an. Sie war angezogen wie ein Punk und höchstens sechzehn.
»Geh nach
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