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Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Titel: Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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der
Aaseestadt hinauf bis in die Siedlung Weißenburg führen sollte, wo man sich in
der Berghütte Preußen-Edelweiß an zünftigem Grünkohl mit Pinkel erfreuen
konnte.
    Gorbitschs Haus war eines von vielen Reihenhäuschen, die laut
Werbeprospekt durch ihre Schlankheit bestachen. Wohnzimmer, Schlafzimmer und
Küche – man hatte einfach alles übereinandergestapelt und ein Dach
draufgesetzt. Gorbitsch hatte mal erwähnt, dass die Breite der Einzelgebäude
sogar das Maß unterschritt, das für US -amerikanische
Hundehütten vorgeschrieben war. Trotzdem hatte er sich hier eingekauft. Das
schrille Oldtimer-Cabrio wirkte vor dem piefigen Reihenhaus fehl am Platz, wie
ein knallbunter Riesengartenzwerg auf einer Grabstätte.
    Ich klingelte. An seiner Haustür hing ein leicht verwittertes
Schild: Welcome . Er öffnete.
    »Hi, Gorbitsch«, sagte ich. »Was geht ab?«
    »Man sollte denken«, sagte er anstatt einer Begrüßung, »dass die
lausige Kälte sie davon abhält. Aber Fehlanzeige: Geh hin und hör es dir selbst
an. Sie kann einfach nicht anders.«
    »Wen zum Teufel meinst du?«
    »Angela Merkel natürlich.«
    »Echt? Wie kommt die denn hierh–«
    »Ich spreche von Silke Klamm, meiner Nachbarin. Was dachtest du
denn? Es ist kurz vor Weihnachten und sie ruft ihre gesamte Verwandtschaft an.
Wie soll das erst am Heiligen Abend werden?«
    Jan Gorbitsch sah nicht gut aus. Welch ein Unterschied zu unserem Treffen
neulich, wo er sich in östlicher Gelassenheit gesuhlt und Onassis zitiert
hatte! Dunkle Ringe unter den Augen zeugten davon, dass er nicht viel Schlaf
bekommen hatte. »Die Frau tut nichts anderes, verstehst du? Telefonieren ist
ihr einziger Lebensinhalt.«
    Ich war ihm inzwischen ins Wohnzimmer gefolgt, einen recht kleinen
quadratischen Raum mit einer zweiflügeligen Terrassentür. Gorbitsch öffnete.
    Wir traten hinaus in den Garten, ein längliches Stück Rasen mit
einem verwitterten Geräteschuppen am Ende. Die Nachbargrundstücke waren leicht
einzusehen, weil der Zaun nicht hoch und die Heckenbepflanzung winterbedingt
laubfrei war. Links nebenan gab es eine Terrasse aus Waschbeton. Darauf stand
ein Plastikstuhl und auf dem Stuhl saß eine winterlich vermummte Gestalt mit
einer qualmenden Zigarette in der einen und einem Telefon in der anderen Hand.
Da sie momentan in einem wichtigen Gespräch war, bemerkte sie uns nicht.
    »Das ist sie?«, raunte ich mit einer Kopfbewegung.
    Der Blick, den Gorbitsch mir zuwarf, ging mir durch Mark und Bein.
    »Weißt du, ich habe mir gedacht, dass ich den Thunfischsalat machen
könnte«, plapperte die Frau auf dem Plastikstuhl mit einer Stimme, die sich auf
einer für das menschliche Ohr unangenehm hohen Frequenz bewegte. »Alle haben
den doch beim letzten Mal so gelobt. Und du könntest doch eine Nachspeise
mitbringen. Was hältst du von Crème brulée …?«
    »He, sie telefoniert doch nur«, meinte ich versöhnlich.
    Mein Expartner ließ das nicht gelten. »Vielleicht erinnerst du dich
noch, Ole«, zischte er, »dass telefonieren früher zur Privatsphäre gehörte.
Dass es üblich war, sich in sein Wohnzimmer zu verziehen, den Hörer abzunehmen
und Hallo zu sagen. Heutzutage schnappt man sich das Handy, geht in den Garten,
schaltet Mithören ein und trompetet ebenso intime wie banale Geheimnisse in die
Nachbarschaft hinaus. Diese schamlose Form akustischer Müllentsorgung sollte
unter Strafe gestellt werden.«
    »Stimmt«, plärrte die Nachbarin, »aber Hinrich wollte doch kommen.
Hans-Günther hat ja diese Pilzgeschichte, da will er lieber kein Essen
mitbringen … Ach, das hast du noch gar nicht gehört? Ich dachte, weil du mit
Hildegund … Also pass auf, das ist eine wirklich unangenehme Sache …«
    »Komm, lass uns wieder reingehen«, meinte ich.
    Er folgte mir ins Haus und knallte die Tür so heftig hinter sich zu,
dass sich die ganze Reihenhaussiedlung einen Zehntelmillimeter nach vorn
bewegte. »Aber denk bloß nicht, das hilft.«
    Gorbitsch war mit den Nerven am Ende, so viel stand fest. Und er
hatte auch noch recht: Sobald keiner von uns redete, drang die nachbarliche
Telefonstimme mit ihrem unverkennbar schrillen Timbre durch sämtliche Wände.
Ich versuchte, mit Absicht einfach nichts mehr zu verstehen, indem ich intensiv
an etwas anderes dachte, aber es ging nicht.
    Gorbitsch hatte mir nicht mal was zu trinken angeboten. Er saß nur
da auf seinem Stuhl und starrte auf die Wand, die sein Haus von dem der Klamm
trennte.
    »Jetzt hat sie aufgehört«, meinte

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