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Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Titel: Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Vollbremsung – ein Fehler, denn
es hatte leicht geschneit, also rutschte mir das Vorderrad glatt weg, und ich
raste mit voller Fahrt in einen Maschendrahtzaun. Prallte gegen etwas Hartes,
sodass ich für einen Augenblick k. o. ging.
    Dann rappelte ich mich auf und klaubte das Fahrrad aus dem Busch.
Jetzt sah es nicht mehr frisch renoviert aus, im Gegenteil. Das Vorderrad wies
eine gehörige Delle auf, und die Lenkstange war verbogen.
    Ganz in der Nähe stand ein Mann und beobachtete seelenruhig meine
vergeblichen Bemühungen, das Vorderrad notdürftig zu richten. Es war
Mönninghoff.
    »Was soll denn das!«, fuhr ich ihn an. »Das Ding ist Schrott.«
    »Ist mir doch egal.«
    »Das ist es nicht, dafür werde ich sorgen. Wie kommen Sie dazu, mir
hier aufzulauern?«
    »Irgendwer hat mich beim Chef angeschwärzt«, brummte er. »Und ich
würde wetten, dass du das warst.«
    »Angeschwärzt? Warum sollte ich das tun? Ich dachte, wir sind
Partner.«
    »Blödsinn, das hast du doch nur so gesagt.«
    »Klar habe ich das nur so gesagt. Oder bildest du dir etwa ein,
jemand würde freiwillig mit einem Arsch wie dir zusammenarbeiten?«
    »Ich habe diese Weihnachtskarten nicht geschrieben, und du weißt das
genau.«
    »Dann sag das doch einfach deinem Chef.«
    Mönninghoff kam mir so nahe, dass mir eine Wolke Billig-Deospray in
die Nase stieg, mit der er vergeblich den Schweißgeruch zu überdecken
versuchte. »Bestell deinem Auftraggeber, wenn er mich rausschmeißt, dann fliegt
er auch auf, und seine scharfen Bräute gleich mit.«
    »Welche scharfen Bräute denn?«
    Schuberts Personalchef deutete ein Achselzucken an. Dann drehte er
sich um und stapfte in den trüben Winternachmittag hinaus.
    »Grüß Schmuse-Dieter von mir!«, rief ich ihm nach.
    Aber Jogibär antwortete nicht.

12
    So ramponiert, wie Gorbitschs Fahrrad war, konnte man es
eigentlich nicht mehr als Verkehrsmittel bezeichnen. Zu Fuß hätte ich vom »Café
Augenhöhe« vielleicht eine Dreiviertelstunde gebraucht, aber das Rad von dort
nach Hause zu schleifen, kostete mich anderthalb. Außerdem machten sich
unterwegs eine leichte Prellung und jede Menge blaue Flecken bemerkbar, die ich
mir bei dem Sturz zugezogen hatte.
    Den Rest des trüben Tages verbrachte ich zu Hause und verfolgte vom
Fernsehsessel aus, wie sich das Kandidatenkarussell weiterdrehte: Dieses Mal
trat Thilo Strumpf, der Chef der Autofahrerpartei, vor die Kamera: ein
glatthäutiges Gesicht mit leuchtend blauen Augen und dicken, fleischigen
Lippen. Wenn es nach ihm selbst ging, war er fraglos ein Charismatiker vom
Schlage des verblichenen Münsteraner Obama. Das kastanienbraune Haar zu einer
exotisch anmutenden Tolle aufgeföhnt, hoffte er offenbar besonders auf
weibliche Wählerstimmen. Susann Bolzenius lobte er in den höchsten Tönen,
wünschte ihr viel Glück und äußerte sich zuversichtlich, dass die Partei per
Wählerbefragung den richtigen Kandidaten küren werde – nicht ohne zu erwähnen,
dass er sich die schon beschlossene Fusion der beiden liberalen Parteien nur
unter seiner Führung vorstellen könne. Ich hätte gern noch mehr erfahren, aber
es kam nur Neues über das Killervirus, das immer noch ungehindert sein Unwesen
trieb. Man machte den Erreger für eine Schlägerei verantwortlich, die gestern
in den Arkaden getobt hatte. Was den Übertragungsweg anging, tappte man nach
wie vor im Dunkeln; die Verzehrwarnung wurde ausgeweitet auf Lebkuchen und
Knusperhäuschen, die aus Lebkuchen und Zucker erbaut waren.
    Am Sonntag, so gegen elf, machte ich mich auf ins Geistviertel,
um mich wie verabredet mit meinem Expartner zu treffen. Jan Gorbitsch wohnte
schon seit einiger Zeit in einem schmucken Eigenheim, aber aufgrund der
längeren Eiszeit zwischen uns hatte ich ihn noch nie dort besucht.
    Das Geistviertel zählte nicht zu den schönen Stadtteilen. Es hatte
kein wirkliches Gesicht, verlor sich in endlosen Reihenhaussiedlungen und hatte
sich einen Namen damit gemacht, vorwiegend solche Gebäude unter Denkmalschutz
zu stellen, die die meisten als hässlich empfanden. Allerdings verfügte es über
die höchste Erhebung der Stadt, ein Alleinstellungsmerkmal, das einige Bewohner
in der Vergangenheit dazu verleitet hatte, die Gegend touristisch zu nutzen und
einen »Verein zur Förderung des westfälischen Alpinismus« zu gründen, der
seinen Sitz direkt gegenüber der Geistkirche hatte. Ein niederländischer
Investor hatte angeblich sogar den Bau eines Skiliftes angekündigt, der von

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