Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi
ist, ein Münsterland-Obama,
während er selbst, eine gescheiterte Existenz, sein ödes Leben mit linken
Spinnereien beklebt, um es interessanter aussehen zu lassen.«
»Ich hab dir doch erklärt, dass er immer alles gekriegt hat, immer
das größte Stück vom Kuchen«, beharrte Noteboom. »Was hättest du denn an meiner
Stelle getan …?«
»Also kam er eines Tages auf die Idee, dass seine Tochter die ideale
Waffe wäre, es seinem Bruder heimzuzahlen. Eine krankhaft ehrgeizige Person,
der es nicht das Geringste ausmacht, über Leichen zu gehen, Hauptsache, es
bringt sie weiter. Also verwandelt er sich in den Geist der Weihnacht und
verschafft ihr welche.«
»Das mit dem Geist war doch nicht ernst!«, erhob Ottmar wieder
Einspruch. »Ich hab dir auch erzählt, dass ich Schauspielunterricht nehme. ›A Christmas
Carol‹ – das passt in die Jahreszeit. Deshalb haben wir es geprobt. Was ist
denn dabei?«
»Ich bin noch nicht fertig«, sagte ich. »Da ist noch ein leeres
Aquarium. Exotische Fischlein sind doch Ihr Hobby, Frau Bolzenius. Könnte es
vielleicht sein, dass in diesem Becken bis vor Kurzem japanische Kugelfische
zappelten?«
Sie hielt es für unter ihrer Würde zu antworten und wandte sich
stattdessen an ihren Vater. »Immer müssen es diese blöden Kugelfische sein.
Dabei gibt es so viele interessantere Arten.«
»Aber neulich hat schon einmal jemand nach Kugelfischen gefragt«,
warf Laurenz ein. »Er wollte wissen, woher man sie beziehen kann, wie man sie
pflegt und so weiter.«
»Das stimmt«, bestätigte Ottmar. »Ich hab ihm gesagt, dass man da
leider kaum was machen kann, weil die Einfuhr streng verboten ist. Es sei denn,
man verfügt über das nötige Kleingeld. Dann geht natürlich alles.«
»Wer war dieser Mann?«, erkundigte ich mich.
»Herr Löwenich«, sagte Ottmar. »Ihm gehört ja auch das Kostüm.«
»Conny Löwenich?«, fragte ich blöde.
»Er ist mein Schauspiel-Coach, das habe ich dir doch erzählt. Die
Klamotten hat er übrigens gestern Abend abgeholt.«
»Und wo steckt der Kerl?«
»Das kann ich dir nicht sagen.«
»War das alles?« Susann Bolzenius, der meine Verunsicherung nicht
entgangen war, setzte ihr gewohnt arrogantes Grinsen auf. »Dann könnten wir
jetzt wohl weiter frühstücken, ohne dass uns jemand grundlos belästigt.«
Löwenich, dachte ich. Natürlich, warum war ich Idiot nicht
gleich darauf gekommen? Noch während ich im Lift abwärts fuhr, rief ich meine
Auftraggeberin an. Hermine Tiedemann war im Stress wegen des Klößeessens, das
wegen Weihnachten auf den heutigen Tag vorverlegt worden war. Und weil sie
alles selbst machen musste.
»Wo kann ich Herrn Löwenich erreichen?«, fragte ich.
»Ich weiß nicht, wo er sich zurzeit aufhält. Das ist auch seine
Sache. Er hat schließlich Weihnachtsferien.«
»Weihnachtsferien?«
»Bis morgen früh. An den Feiertagen brauche ich ihn hier.«
»Können Sie mir sagen, wo er wohnt?«
»Im ›Café Augenhöhe‹. Der erste Stock verfügt über einfache
Gästezimmer, die Menschen mit geringen Einkünften anmieten können.« Sie gab mir
auch noch eine Handynummer, mit der ich ihn gleich erreichte.
Löwenich freute sich, dass ich ihn besuchen wollte. Momentan habe er
einen wohlbetuchten Klienten, der ihm sein Herz ausschütte, aber in zwanzig
Minuten hätte er Zeit für mich.
Die Sonne hatte sich wieder verzogen, es nieselte. Aber das
schreckte den kaufgeilen Mob nicht ab. Er schob, drängelte und schubste. Der
Rückweg zum Auto kostete Geduld und Zeit. Leider war der Wagen nicht mehr da,
wo ich ihn abgestellt hatte. Und wie sich herausstellte, war er auch sonst
nirgends zu finden. Geschlagene zehn Minuten lang lief ich den Ring erst in die
eine, dann in die andere Richtung, was wenig Sinn machte, denn ich hatte mir
die Stelle genau gemerkt. Dann gab ich es auf und rief ein Taxi.
Eine halbe Stunde später durchschritt ich das Eingangstor des
ehemaligen Hofes, auf dem »Wer sucht, der findet e. V.« geschrieben stand. Eine
kühne Behauptung, die auf in zweiter Reihe geparkte Autos schon mal nicht
zutraf. Dieses Mal ließ ich das Café links liegen und nahm stattdessen die
Treppe in den ersten Stock. Ein muffiger Gang mit niedriger Decke erwartete mich.
Aus dem Ritz unter der letzten Tür drang Licht. Ich klopfte.
»He, komm rein«, begrüßte mich Conny. »Mach’s dir gemütlich.«
Ich folgte ihm in einen Raum mit Deckenschräge, der ein bisschen an
eine Mönchszelle erinnerte. Da stand ein kleiner
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