Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi
dort
vermutete, hatte er den Kommissar gleich an Frau Bolzenius weiterverwiesen. Und
sie, eine Autorin, die mit der Wahrheit eh nicht viel am Hut hatte, hatte dem
Kommissar etwas über einen zu allem entschlossenen Mörder aufgetischt. Worauf
ihr treuer Fan umgehend mit dem SEK angerückt
war. Was hatte ich schon tun können? Trotzdem blieb das enttäuschte
Kopfschütteln, es klebte an mir wie ein Makel, von dem ich mich nicht selbst
reinwaschen konnte. Und das großzügige Honorar, mit dem Frau Tiedemann mich
schließlich aus dem Fall entließ, lag schwer in meiner Tasche, so als wären es dreißig
Silberlinge, dabei war es ein viel höherer Betrag.
Schon der Morgen vor dem Heiligen Abend begann mit einem lautstarken
Eklat zwischen Gorbitsch und Svedlana, der sich daran entzündete, dass die
Russin, nachdem sie mit ihm eine – wie er mir später versicherte,
»sensationelle« – Nacht verbracht hatte, sich, kaum dass das erste Tageslicht
graute, in aller Eile verabschiedet hatte mit der Absicht, joggen zu gehen.
Gorbitsch, der später bei mir aufkreuzte, schwor, dass es ihm scheißegal sei,
ob und wo sie mit irgendeinem Bubi Sex habe, aber er habe es endgültig satt,
für so beschränkt gehalten zu werden, dass man ihm immer die gleiche dreiste
Lüge auftischte. Ich gab mir alle Mühe, ihn aufzumuntern, aber dann kam er auf
seinen Luxusschlitten zu sprechen und machte eine Riesensache daraus, dass er
mir abhandengekommen war. Mein Einwand, dass der Wagen bestimmt nicht geklaut,
sondern lediglich abgeschleppt worden war, wischte er einfach so beiseite und
schwor, mir niemals mehr irgendein Verkehrsmittel anzuvertrauen. Übellaunig saß
er da und starrte auf sein Brötchen.
Ganz anders Düsseldorf, der sich gegen zehn Uhr mit der übertrieben
heiteren Attitüde des genialen Kriminalisten, der gerade einen kniffligen Fall
aufgeklärt hatte, zu uns gesellte.
»Der Fall ist nicht gelöst«, widersprach ich. »Es gibt zu viele
Widersprüche.«
»Eins nach dem anderen«, entgegnete Düsseldorf gut gelaunt. »Erst
fassen wir den Mörder und dann machen wir uns an die Widersprüche.«
»Wie meinen Sie das? Führen Sie ein peinliches Verhör durch und
zeigen ihm vorher noch die Instrumente?«
Der Hauptkommissar entleerte seine Tüte mit Backwerk in eine
Schüssel, schnappte sich ein Croissant und sägte es in Windeseile in zwei
Hälften. »Fest steht, dass wir den Kerl haben, der Noteboom auf dem Gewissen
hat.« Er schnappte sich ein Marmeladenglas und entleerte auf gewohnte Weise den
Großteil des Inhalts auf sein Hörnchen. »Das können auch Sie nicht bestreiten.«
»Löwenich kann gar nicht der Mörder sein.«
»So, und wieso nicht?«
»Er hätte jeden Grund gehabt, Noteboom umzubringen, aber was macht
er? Stellt ihm vergiftetes Fleisch hin, vor dessen Verzehr man in der Regel
niemanden warnen muss, weil schon das Aussehen jeden abschreckt. Aber er warnt
ihn ausdrücklich davor, sich das Zeug einzuverleiben. Und was die anderen
Ermordeten angeht, so kannte er die nicht mal.«
»Warten Sie’s ab«, meinte der Kommissar. »Sie werden es noch
erleben.«
»Haben Sie nicht selbst gesagt, dass alles auf verschiedene Täter
deutet, die einander kopiert haben? Und wussten Sie, dass in den USA etliche Verbrechen unaufgeklärt bleiben, weil sich
die profilerlastige Ermittlungsmaschinerie von vorneherein auf eine Serie
versteift?«
»Wo haben Sie das denn her?«
»Er hat das erzählt.« Ich deutete auf Gorbitsch.
»Ich bin fest davon überzeugt, dass Löwenich der Mörder ist«, fiel
dieser mir in den Rücken.
»Absolut d’accord!«, freute sich Düsseldorf. »Gorbitsch, Sie haben
was auf dem Kasten.«
»Das müssen ausgerechnet Sie mir sagen«, kläffte mein Expartner den
Kommissar an. »Wäre es nach Ermittlern Ihres Formats gegangen, säße ich jetzt
lebenslang im Bau, und das nur, weil ich neben einer Frau gewohnt habe, die
irgendein Depp ermordet hat.« Er stand auf, knallte seine Kaffeetasse auf den
Tisch und stampfte aus der Küche. »Wünsche noch ein schönes Weihnachtsfest.«
»Ermittler meines Formats?«, fragte Düsseldorf irritiert. »Was meint
er damit?«
»Lassen Sie’s gut sein, Herr Kommissar«, sagte ich. »Mein Expartner
ist schlecht drauf. Seine Freundin hat irgendwas anderes am Kochen.«
»Kenne ich«, nickte er voller Verständnis. »Erst behaupten sie, sie
müssten unbedingt noch joggen. Danach haben sie immer Kopfschmerzen oder
Migräne. Der Anfang vom Ende.«
Etwa eine Stunde später
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