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Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Titel: Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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informierte Gorbitsch mich darüber, dass
weder Svedlana und ihr fadenscheiniges Joggen an seiner miesen Stimmung schuld
war noch seine abgeschleppte Protzlimousine. Nebenan war ein Neuer eingezogen,
ein schwerhöriger Augenarzt mit einem Faible für Udo Jürgens und seine besten
Songs.
    »Na, wenigstens telefoniert er nicht so viel, was?«, machte ich ihn
auf das Positive aufmerksam.
    »Stimmt«, räumte Gorbitsch ein, ohne im Geringsten aufgemuntert zu
wirken. »Weißt du, worauf ich heute im Internet gestoßen bin? Eine
Bastelanleitung für eine Bombe, die würde glatt drei oder vier dieser winzigen
Reihenhäuschen in einem Rutsch wegpusten. Ist gar nicht schwer zu bauen.« Er
grinste hörbar. »Eigentlich ist das nur für Islamisten interessant, aber ich
hab mir das einfach mal ausgedruckt …«
    Mir war klar, dass etwas geschehen musste, wenn nicht am Ende doch
einer dieser Ermittler von Düsseldorfs Format das letzte Wort über Gorbitsch
haben sollte. Unter diesen Umständen kam mir die obskure Einladung Schuberts
zum Weihnachtsmahl gerade recht. Natürlich war mir klar, dass er nicht in
Stimmung für eine Weihnachtsfeier war, aber glücklicherweise kannte ich
Gorbitsch lange genug und wusste, wie ich ihn herumkriegen konnte.
    »Ich gehe auch nicht«, sagte ich. »Weihnachtsfeiern gern, jederzeit.
Aber bevor ich mich von diesem schleimigen Geschäftemacher einwickeln lasse,
setze ich mich lieber vor die Glotze und ziehe mir eine dämliche
Weihnachtsschnulze rein.«
    Gorbitsch, der mir meinen gerechten Zorn nicht gönnte, reagierte
erwartungsgemäß. »Warum eigentlich nicht?«, erwiderte er ohne Begeisterung.
»Ich hätte schon Lust …«
    Das Event fand im »White-Christmas-Tabledance-Club« statt, einem
Etablissement, das man nur durch den Hintereingang des »World of Christmas«
erreichte. Normalerweise Schauplatz pikanter Erlebnisgastronomie mit
schlüpfrigen erotischen Highlights, die nur ausgesuchten Clubmitgliedern
zuteilwurden, diente es heute als standesgemäße Lokalität für eine Festivität
von eher familiärem Charakter.
    Die Bedienung bestand ausschließlich aus langbeinigen und
großbusigen Mädchen in High Heels, schwarzen Strumpfhosen und aufreizend
knappen Weihnachtsmann-Roben. Das also waren die berühmten Weihnachtsfrauen.
    Wir trafen um halb neun ein und wurden von einer der Schönheiten zu
unseren Plätzen geführt. Außer dem Gastgeber, der uns vom Kopf des Tisches aus
zuprostete, saßen da nur noch Butch Cassidy und Sundance Kid, beide in
konservativen dunklen Anzügen und blauer Krawatte. Sundance nickte mir zu,
Butch übersah mich demonstrativ.
    Franz Schubert hatte sein Rüschenhemd im Schrank gelassen. Heute
zeigte er sich in einem grob gestrickten grünen Rollkragenpulli. Er sah fremd
aus, nicht wie ein Unternehmer, eher wie ein Jugendpfarrer. Auf dem Pulli
prangte ein Button mit dem Aufdruck Jesus rettet dich.
    Schubert erhob sich und klingelte mit einem Löffel gegen sein Glas.
»Bevor wir es uns schmecken lassen, meine Herren, möchte ich ein paar Worte
sagen.« Anschließend hielt er eine von diesen Reden, die bei jedem Zuhörer zu
dem Vorsatz führen, sich, wenn es um Wortmengen geht, niemals mehr auf so vage
Angaben wie »ein paar« einzulassen. Vor uns auf dem Tisch warteten diverse
köstliche Vorspeisen, die zwar nicht mehr kalt werden konnten, aber vor unseren
Augen welkten und zu verschimmeln drohten, falls sich das Geschwafel noch lange
hinziehen sollte. Dabei variierte Schubert immer nur dasselbe Thema: Wie
glücklich er sei, dass er endlich begriffen habe, dass das schändliche Leben,
welches er bis jetzt geführt habe, schändlich sei. Und dass ihn das zu dem
Entschluss geführt habe, nun endlich eins zu leben, das nicht so schändlich
sei, im Gegenteil. Dass er sich dank hilfreicher Weihnachtsgeister vom
garstigen Sünder zum lebensbejahenden, ja, er mochte fast sagen: guten Menschen
gewandelt habe, genauso wie sein großes Vorbild, der höchst ehrenwerte Mr.
Ebenezer Scrooge.
    »Ihr Weihnachtsfrauen!«, rief er schließlich tief bewegt aus. »Ich
habe euch geschaffen. Verblendet war ich und auf meinen Gewinn fixiert, ohne
Rücksicht auf die Misslichkeiten, welche euch dadurch widerfahren würden. Ich
weiß, auch das Weihnachtsgeld, das ich euch jetzt erstmals zahle, kann das
nicht wiedergutmachen. Also vergebt mir, wenn ihr könnt. Alles wird nun anders
werden. Ich rufe euch zu: Verkauft nicht weiter euren Körper für schnöden
Mammon! Ich weiß etwas viel

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