Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi
Bolzenius
anfangs nicht einmal ein müdes Grinsen übrig hatte. Die Übereinstimmungen aber
häuften sich. Bolzenius: Vielleicht habe sie ja abgeschrieben, aber wenn, dann
nicht absichtlich, jedenfalls ohne ihr Wissen. Auch wenn die Plattform
»Bolzenwiki« behaupte, sie habe so gut wie alles abgeschrieben, dann sei
zwischen »alles« und »so gut wie alles« ja immer noch ein himmelweiter
Unterschied. Spätestens als bekannt wurde, dass die Idee zu »Stoßverkehr«
komplett einem japanischen B-Movie entstammte, setzten Kritiker sich öffentlich
mit der Frage auseinander, ob erotische Phantasien literarisch gesehen nicht
entwertet würden, wenn sie gar nicht ausgelebt, sondern nur abgeschrieben
seien. Susann Bolzenius, ehemals »Playmate des Deutschen Buchhandels«, wurde
zur Witzfigur erklärt. Um der Partei keinen weiteren Schaden zuzufügen, legte
sie ihr Amt als Parteichefin nieder. Ihr Nachfolger: Ralf-Walther Hillgruber.
Das war kurz vor Karneval. Die Parteitagsversammlung wurde im
Fernsehen übertragen, und böse Zungen führten die hohe Einschaltquote darauf
zurück, dass die meisten Zuschauer die Veranstaltung mit der großen
Prunksitzung des Kölner Karnevals verwechselt hätten. Da ich mir selbst nicht
viel aus Karneval machte, leistete ich dem Hauptkommissar Gesellschaft, den die
fünfte Jahreszeit immer düster stimmte, weil sie ihn an sein unfreiwilliges
Exil erinnerte. Ich lud ihn zu Tee und Berliner Ballen ins »Café Augenhöhe«
ein. In der letzten Zeit kam ich öfter her, was daran liegen mochte, dass
Schubert seine Weihnachtsgirls zu Kellnerinnen umgeschult hatte, die hier ihren
Dienst versahen. Eine vorübergehende Maßnahme, denn nach wie vor hielt der Chef
des »World of Christmas« an seiner Absicht fest, sie demnächst als
Missionarinnen in muslimische Länder zu schicken, damit sie den
Fundamentalisten predigten und aus der Schrift vorlasen.
»Was macht der Mordfall?«, fragte ich.
»Fragen Sie nicht«, murrte Düsseldorf. Er schnappte sich einen
Berliner Ballen. »Die Sache nimmt einen unschönen Verlauf, das können Sie mir
glauben.«
»Ich habe Ihnen gleich gesagt, dass Löwenich kein Serientäter ist.«
»Das sagt er ja auch. Meinetwegen. Aber ich werde euch beweisen,
dass ihr falschliegt und ich recht habe.«
» Er sagt das? Wer?«
»Hauptkommissar Uhlenkötter. Ein Korinthenkacker aus Bielefeld. Was
weiß der schon? Ich sage immer: In Ostwestfalen sind die alle so.«
»Das müssen Sie als Düsseldorfer ja wissen, was?«, stichelte ich.
Für einen Augenblick sah es so aus, als wolle er mich anspringen und
mir die Augen auskratzen. »Ich bin kein Düsseldorfer, sondern heiße nur so.«
»Weiß ich doch, Herr Kommissar. Aber die Frage ist und bleibt: Warum
sollte Conny Löwenich Strumpf umbringen? Und warum Silke Klamm?«
»Darum geht’s nicht.« Der Hauptkommissar warf den Ballen auf seinen
Teller, drückte mit der flachen Hand zu und quetschte die Marmelade heraus. Es
sah brutal aus. »Darum geht’s überhaupt nicht.«
»Worum denn dann?«
»Dass der Chef mir den Fall entziehen will. Dass dieser neunmalkluge
Uhlenkötter meinen Platz einnehmen soll. Darum geht’s.« Er zerknüllte den
Ballen zu einem winzigen Teigwürfel und verschluckte ihn. »Und deshalb beiße
ich auf Granit. Stolpere über Steine, die man mir in den Weg legt. Deshalb
heißt es immer: Legen Sie endlich stichhaltige Hinweise für Ihre Theorie vor.
Im Grunde interessiert sich doch keiner einen feuchten Pups für Hinweise.«
»Haben Sie denn welche?«
»Oh ja, die habe ich.«
»Dann raus damit«, sagte ich neugierig.
»Thilo Strumpf war mal bei Notebooms zum Klößeessen, das war circa
eineinhalb Monate vor seiner Ermordung. Und Löwenich hat beim Servieren Soße
auf Strumpfs Hose gekleckert. Dafür gibt es Zeugen.«
»Jetzt kommen Sie aber, Herr Kommissar, wenn Sie aus solchen
Vorfällen Mordmotive basteln …«
»Nein, hören Sie mir zu: Strumpf hat Löwenich daraufhin einen
Schmarotzer genannt, der sich in der Hängematte des Sozialstaats ausruht.
Verstehen Sie? Jemand, dem ich gerade das Essen serviere, nennt mich einen
faulen Sozialschmarotzer, da ärgere ich mich doch, oder?«
»Sozialschmarotzer, na ja.«
»Löwenich hat jedenfalls geantwortet, dass ihm, Strumpf, das noch
mal leidtun würde. Und das hat es ihm ja dann wohl auch, oder nicht?«
Düsseldorf war es, der mir leidtat. Wer hätte gedacht, dass er sich
als Don Quichotte erweisen würde, der sich an Windmühlen abarbeitete? »Und
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