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Tod von Sweet Mister

Tod von Sweet Mister

Titel: Tod von Sweet Mister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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dicke Knöchel, die Handgelenke waren kräftig, die Schultern breit. Vieles deutete darauf hin, dass er stark war, aber nicht mehr sehr jung. Sein Haar war grau und schütter. Sein Gesicht sah aus wie viele andere Gesichter auch, aber mit tiefen Lachfalten und ganz, ganz dunklen Augen. Und er zog sich richtig ordentlich an, wie ein Mann, der immer Arbeit gehabt hatte.
    Ich beugte mich vom Rücksitz vor und fragte: »Und wie heißen Sie gleich noch mal?«
    »Jimmy Vin Pearce.«
    Glenda drehte sich zu mir um und sagte: »Hast du es jetzt verstanden? Es ist unhöflich, sich den Namen auch beim zweiten Mal nicht zu merken.«
    »Und du bist Shuggie«, sagte der Mann, »und die Lady hier ist Glenda. Ein hübscher Name.«
    »Finden Sie? Ich bin mir da nicht so sicher.«
    »Ein wirklich hübscher Name.«
    »Hm.«
    »Hört sich glatt nach einem Song an.«
    Die Scheibenwischer flüsterten nur, während sie das Wasser vom Glas räumten. Die Tropfen waren nur noch sommersprossengroß und wurden immer weniger. Kinder in gelben Regenjacken waren herausgekommen und spielten im Rinnstein, ließen in den Sturzbächen am Straßenrand alles Mögliche schwimmen und rannten zu den Gullys.
    »Ich kenne die Straßen hier nicht besonders«, sagte er. »Sie müssen mir den Weg sagen.«
    »Wo kommen Sie her?« fragte Glenda.
    »Zurzeit, meinen Sie? Oder überhaupt?«
    »Egal.«
    »Ursprünglich komme ich aus Phenix City. Nicht Phoenix, Arizona. Phenix City, Alabama. Jetzt bin ich hier und arbeite im Echo Club als Koch.«
    »Seit wann sind Sie denn da Koch?«
    »Seit ein paar Monaten. Ich war in einem Hotel in St. Louis, aber das ging schief, weil ich meine eigenen Vorstellungen davon habe, wie Paprika zu schmecken hat, und ein Gast dort meinte, wenn ich nach West Table komme, könnte ich doch im Echo Club kochen. Also, was soll’s, jetzt bin ich hier.«
    »Koch hört sich immer wie ein komischer Job für einen Mann an.«
    »Daran ist nichts Komisches.«
    »Waren Sie das schon immer? Koch?«
    »Seit zwanzig Jahren, noch länger. Ich hab schon überall gekocht. Hab ’ne Menge gesehen. Viele Köche sind Männer. Ich hab in Kentucky angefangen. Covington, Kentucky, das war Las Vegas, bevor Vegas überhaupt irgendwas war. Da war richtig was los. Ich hab da im Lookout House gearbeitet.«
    Glenda quiekte und klatschte in die Hände.
    »Sleepout Louie’s?« fragte sie.
    »Ho, ho«, machte er und warf ihr einen Blick zu, »Sie kennen Covington?«
    »Jawohl.« Glendas Augen blitzten, und sie setzte sich auf. Sie rutschte auf dem weißen Sitz herum, bis sie Jimmy Vin direkt anschauen konnte. »Als junges Mädchen habe ich im Beverly Club gekellnert.«
    »Heiliger Strohsack, im Kasino? Gutes Geld in jenen Tagen, da wette ich drauf.«
    »Und ob. Das wäre sogar heute noch gutes Geld.«
    »Der Beverly Club – war das nicht Baron Ambers’ Laden?«
    »Genau«, sagte Glenda. »Der Baron war ein großer Mann.«
    »Mit dem wollte man sich nicht anlegen. Ich hab ihn mehrmals gesehen, an verschiedenen Orten. Er gehörte zu den Cleveland-Leuten.«
    »Absolut.«
    »Das waren die richtigen Leute, mit denen konnte man was erleben.«
    »Meistens. Meistens schon. Sie müssen hier abbiegen.«
    Etwa an der Stelle zündeten sich die beiden Zigaretten an, verschwanden in der Vergangenheit und erzählten sich ihre Erinnerungen. Ich hörte ein wenig zu, aber nicht richtig. Irgendwer, den sie beide kannten, war schon tot, irgendein anderer auch, und dann sprachen sie über ein paar großzügige Männer und über Mädchen, die sich je einen von denen geschnappt hatten, und wie sich alles veränderte.
    Ich blieb still und hoffte, dass mich Leute, die ich kannte, in diesem Wagen fahren sahen.
    An einem Stoppschild sagte der Mann: »Heißt der Junge aus irgendeinem bestimmten Grund wie der Baron? Oder nur, weil er ein Glückspilz ist?« Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen drehte er sich zu mir um. Sein Lächeln verebbte. »Ach.«
    Eine Straße weiter sagte er: »Er hatte dann Ärger – in welchem Jahr war das?«
    »Fünfundfünfzig.«
    »Ach ja. Da war ich schon woanders.«
    »Da war die ganze Stadt schon woanders.«
    »Ja. Die guten Zeiten sind vorbei.«
    »Sind Sie allen anderen nach Vegas hinterher?«
    »Nein. Nein. Ich hab’s einen Monat auf Kuba versucht, hab’s aber nicht so mit Fisch. Außerdem ist Glücksspiel einfach spaßiger, wenn es verboten ist. Wenigstens für mich. Wenn es legal ist, dann ist das so, als ob man in eine Kirche geht, die ein paar Sachen

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