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Tod von Sweet Mister

Tod von Sweet Mister

Titel: Tod von Sweet Mister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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Die Tür verbarg einen Großteil des Knäuels vor mir. Doch Pattys Füße baumelten aus der offenen Tür, und schon bald hing ihre Jeans um ihre alten Sportschuhe. Ein Fuß schlug sich frei, und die Jeans glitt auf die Steine. Reds Hose rutschte herunter und beulte sich um die Stiefel. Sein Kopf verschwand unter dem Fensterrahmen, er ging auf die Zehenspitzen und sprang außer Sicht.
    Der Fluss war richtig gemütlich. Mein Körper gewöhnte sich an die Temperatur, und das Wasser brauchte nur kurz, um mir die angenehme Seite einer Kühlung im Sommer zu vermitteln. Manche Wellen sprangen hoch, über mein Kinn bis in den Mund, ich probierte den Fluss, und er schmeckte einfach gut.
    Ich saß ganz still da, ein ums andere Mal tauchte ein Schwarm kleiner Fische auf und knabberte und stupste an der riesigen weißen Bauchhaut herum, die ich zu bieten hatte. Die Fische standen vor meinem Bauch. Sie pickten unter meinen Armen. Sie taten sich zu einem Rudel zusammen und knabberten an den Fettröllchen meiner Brust. Für sie hatte ich den richtigen Geschmack. Die Fische waren kleine, schmale Dinger, manche cremefarben mit dunklen Streifen, andere ganz gelb, und alle bewegten sich sehr schnell. Hier kam ich mir vor wie eine besondere Köstlichkeit, und wenn ich mich in die Strömung legen und davontragen lassen würde, dann würden sie wohl mitkommen, ein Schwarm Fische, der im Schatten unter mir schwamm, während ich davontrieb.
    »He, pack deinen Scheiß zusammen«, rief Red. »Wir fahren.«
    Red sah mich nicht an. Er wartete nicht darauf, bis ich trocken wurde. Verbeulte Dosen lagen herum. Ein angebissener Burger lag auseinandergefallen auf den Steinen. Patty knüllte den braunen Sack zusammen, Red stellte die Kühlbox auf den Pick-up.
    »Vergiss den Plunder vom alten Dave«, sagte er. »Der Scheiß funktioniert kein bisschen.«
    Wir saßen wieder wie vorher im Wagen, sie in der Mitte. Er fuhr, als klebten ihm die Finger am Lenker fest, nur langsam löste er manchmal die Hand und griff nach dem Schaltknüppel. Sein Blick war wie verschwommen, seine Augen strahlten matt, aber sie wirkten ehrlich. Patty schlief anscheinend oder war kurz davor, ihr Kopf sank zu ihm hin. Die Sonne verschwand hinter den Felsen. Wir fuhren den schmalen Weg entlang, und das Unkraut kratzte den Pickup. Als wir zu der schwarzen Skelettbrücke kamen, ließ Red den Wagen langsam vorwärtskriechen, drehte sich um und sah mich an. Das Verschwommene in seinem Blick forderte meine ganze Aufmerksamkeit.
    »Also, Basil – das ist zum Beispiel so ein Kerl ohne das kleinste bisschen Verantwortung. In der ganzen Gegend gibt es niemanden, der auf ihn zählt. Nein. Niemanden.«
    Die Brücke klapperte laut, als wir sie überquerten.

AUF DEM FRIEDHOF HATTEN irgendwelche Kids in der Nähe des schwarzen Engels eine Party gefeiert, Bierflaschen an den Grabsteinen zerschlagen und Müll liegen gelassen. Höchstwahrscheinlich welche aus der Highschool. Mr. Goynes entdeckte den Müll zuerst und tauchte gegen Mittag auf, um Glenda und mich zu beschimpfen – warum wir denn die Kids nicht in der Nacht gehört und verscheucht hätten. Dazu seien wir doch da, sagte er vier oder fünf Mal. Deshalb wohnten wir doch in dem Haus. Da dürfe er das doch erwarten.
    Der schwarze Engel war eine ganz besondere Grabfigur, die am anderen Ende des Friedhofs in einem Kreis von Kiefern stand, und wahrscheinlich hätte nur ein preisgekrönter Spürhund oder eine alte Frau mit Schlafproblemen von unserem Haus aus die Partygeräusche dort hören können. Der schwarze Engel war drei Meter hoch und stand auf dem Gemeinschaftsgrab einer Gruppe von Teenagern, die vor vielen, vielen Jahren auf einer Tanzveranstaltung gestorben waren. Im Saal war wohl Dynamit oder Gas oder Gott weiß was explodiert und hatte die Teenager in Holzkohle verwandelt. Keiner hatte sie hinterher mehr auseinanderhalten können. Achtundzwanzig Tänzer lagen unter dem schwarzen Engel, und andauernd kam jemand, der hoffte, dass der schwarze Engel irgendwelche Spukkräfte angenommen hätte, weil er doch auf einer so großen Zahl von jungen Toten stand. Oft stellten Jugendliche Kerzen zu Füßen des schwarzen Engels ab. Oder sie sangen ihm etwas vor. Oder schmierten ihm Lippenstift auf den Mund. Wachstropfen überzogen seine Wangen wie gefrorene Tränen. Zigarettenstummel und Chipstüten lagen herum. Bierflaschen waren zerschlagen worden, und das Bier war über das große Grab geflossen und zu den vielen durstigen toten Tänzern

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