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Tod von Sweet Mister

Tod von Sweet Mister

Titel: Tod von Sweet Mister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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hinabgesickert.
    Als Mr. Goynes verschwunden war, schnappten Glenda und ich uns einen Mülleimer, einen dieser stämmigen Sorte aus Metall, ich nahm einen Henkel, Glenda den anderen. Dann zerrten wir den Mülleimer bis zu dem Dreck am schwarzen Engel.
    »Na, dann herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag«, sagte ich.
    »Das hier wird ihn uns nicht verderben, Shug.«
    Das Wetter war einfach perfekt. Im T-Shirt fühlte sich die Hitze gerade richtig an. Der Himmel war von einem Ende bis zum anderen aus reinstem Blau. Das Gras roch gut.
    »Das ist ja ein ganz schöner Verhau«, sagte Glenda. Auf dem Steinfuß waren Kerzen zu harten Pfützen geschmolzen. Glasscherben waren ein ganzes Stück weit geflogen und versteckten sich im Gras. »Wenn wir uns beeilen, können wir vielleicht noch Kuchen backen.«
    »Der Kuchen ist deine Sache, Glenda. Wie alt bist du jetzt eigentlich geworden?«
    »Ich war noch ein Kind, als du geboren wurdest.«
    Ich klappte mein Messer auf, um das Wachs vom Engel zu kratzen. Sie sammelte den Müll ein und warf ihn in den Eimer.
    »Neunundzwanzig?«
    »Ein schönes Alter. Aber nein.«
    »Dreißig?«
    »Mein Alter ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, Schätzchen.«
    »Einunddreißig?«
    »Stopp – noch eins weiter und ich müsste lügen, und das will ich nicht.«
    »Ach, wirklich?«
    Sie hielt einen Haufen Glasscherben mit beiden Händen und ließ ihn in den Mülleimer fallen.
    »Gib Ruhe, du kleiner Schlaumeier.«
    Wir machten uns wieder daran, den Müll aufzusammeln und in die Tonne zu werfen. Ich kam nicht bis ans Engelsgesicht heran, also überließ ich es der Zeit, die gefrorenen Tränen und den Lippenstift verschwinden zu lassen. Glenda war da und dort, streckte sich, sprang umher, schuftete wie in einer Fitnessstunde.
    »Schau mal«, sagte sie. Sie stand seitwärts zu mir und posierte mit eingezogenem Bauch. »Kein Bäuchlein mehr, siehst du?«
    »Hm.« Ich war plötzlich ganz ausgedörrt, hatte Durst nach einer Cola oder Wasser oder was auch immer, mein Mund war trocken. »Wenn du eins hättest, würde man es in den kurzen Hosen auf jeden Fall sehen. Und man sieht nichts.«
    »Danke schön, Sweet Mister.«
    Ich schätze, wir brauchten knapp eine Stunde zum Aufräumen. Es gab viel zu tun, wir beugten uns runter und kratzten herum, knieten uns hin und standen wieder auf. Glenda schaute ziemlich oft in meine Richtung und schien sich etwas zu fragen, aber sie sagte nicht viel. Die Tonne wieder zurückzuschleifen war anstrengend, wir blieben ein paarmal stehen, um Atem zu schöpfen, und bei einer der Pausen fragte sie: »Shug, hast du schon, na ja – das soll dir jetzt nicht peinlich sein – aber wachsen dir schon Haare?«
    »Was?«
    »Wachsen dir schon Schamhaare?«
    »Also wirklich, Glenda!«
    »Schon, oder?«
    »Ich bin dreizehn! Ich bin kein Baby mehr, weißt du?«
    »Nein, nein, natürlich nicht.«
    »Und ich hab Haare. Ich hab Haare wie jeder andere Mann.«
    Glenda grinste und schob ihre Unterlippe vor. Sie wuschelte mir die Frisur durcheinander. Sie lachte sanft.
    »Aber du bist nicht wie jeder andere Mann, Shug. Wirklich nicht. Du bist mein Sweet Mister, und das ist was Besonderes.«
    »Nur für dich«, entgegnete ich. »Soweit ich das sehe.«
    »Und findest du nicht, dass das absolut in Ordnung ist, Schätzchen?«
    Ich konnte sie nicht anschauen und antwortete ihr, indem ich weiterlief. Ich ging zur Mülltonne, legte meine Arme unter beide Griffe, hob die Tonne hoch und wuchtete sie allein zum Schuppen. Ich stöhnte und schnaufte; Glenda sagte kein Wort mehr, aber ich sah, dass sie lächelte.
    Am liebsten mochte Glenda den Kuchen mit der Glasur, die leicht ins Rosa ging, mit halben Kirschen drauf. Sie mixte die Glasur in meiner Schüssel und tröpfelte Kirschsaft hinzu, davon wurde sie rosa. Sie strich die Glasur über den Kuchen. Dann drückte ich die knallroten Kirschen in einem Muster darauf, das mir selbst erst als solches aufging, als ich schon halb fertig war.
    »Ich brauche noch mehr süße Kirschen.«
    »Du hast schon das ganze Glas aufgebraucht. Das reicht. Was machst du denn da?«
    »So was wie Dominosteine auf der Seite und einen großen Stern obendrauf.«
    »Bist ja fast fertig, Schätzchen.«
    »Wenn ich noch mehr Kirschen hätte …«
    »Ist schon gut.«
    »Ist es nicht.«
    »Du bist fertig, meine ich.«
    Sie gab mir die Glasurschüssel, damit ich den Rest auslecken konnte. Ich nahm einen Finger und war schnell damit fertig. Glenda rauchte und sah aus dem Fenster.

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