Tod von Sweet Mister
Sie blickte nach oben, offenbar hatte der Himmel ihre Aufmerksamkeit geweckt. Als sie ausatmete, kam zu dem Qualm noch ein Geräusch, ein nicht so glücklicher Seufzer, eher ein Stöhnen.
»Was würdest du dir erträumen, wenn du es kriegen könntest«, fragte ich sie.
»Zu viele Dinge.«
»Zum Beispiel?«
»Ach, Shug, ich weiß nicht. Außerdem sind das, was wir Träume nennen, in Wirklichkeit meistens Wünsche. Ein Wunsch ist aber was ganz anderes als ein Traum. Ich bin nicht sicher, was von beiden wohl eher erfüllt wird.«
Ich stand neben ihr und sah zur Fliegentür hinaus, sie hielt mir die Zigarette an die Lippen, damit ich ziehen konnte. Ich ließ den Qualm in dünnen Rinnsalen aus dem Mund gleiten.
»Also gut, was wünschst du dir?«
»Was ich mir wirklich wünsche, das kann ich nicht laut sagen.«
»Dann sag es leise.«
»Hab ich schon.«
Glenda ging aufs Klo, und ich hörte die Zigarette zischen. Glenda kam sofort wieder in die Küche, legte ihre Arme ganz um mich und drückte mich an sich. Sie küsste mir leicht auf den Kopf. Ihre Hände strichen mir über den Nacken.
»Kein Grund, noch länger zu warten«, sagte sie. »Lass uns Kuchen essen.«
Red tauchte mit Seide auf. Er hatte auch noch anderes Zeug dabei, aber nur die Seide zählte. Er kam mit Basil im Schlachtschiff an, zusammen trugen sie die Beute ins Haus. Sie bauten einen kleinen Stapel aus Schachteln auf, in denen Toaster waren, und machten einen Haufen aus Herrenanzügen, neben den sie links und rechts zwei volle Einkaufstüten stellten. Basil hatte einen frischen Schnitt am Kinn, der Schorf wollte nicht richtig trocknen. Red bewegte sich, als würden ihm die Rippen wehtun, irgendwie gebeugt und gebremst, wenn er sich umdrehte. Als sie die Beute hereingetragen hatten, nahmen sie sich Bier aus dem Kühlschrank und besahen sich ihren Fang. Dann kauerte sich Red langsam und vorsichtig neben eine Einkaufstüte. »Happy Birthday, Mädchen«, sagte er. »Ich hab was für dich.«
»Nein, danke.«
»Warte erst mal, bis du es siehst.« Er steckte seine Pranke in eine schwarze Tüte, auf der in weißen Buchstaben der Name des Geschäfts stand, und zog eine gelbe Bluse heraus. »Na, ist das ein Fang?«
»Hm, ist … ist das Seide?«
»Da kannst du drauf wetten«, sagte Basil. »Wir hatten es zwar nicht gerade auf Seide abgesehen, aber als wir darauf stießen, da hat Red, also, Red hat an dich gedacht. Da haben wir sie mitgehen lassen.«
Glenda stützte eine Hand in die Hüfte und hielt sich die andere an die Wange. Sie schien ein wenig zu grübeln. Ihr Gesicht nahm eine andere Farbe an. Sie summte zwei, drei Mal einen Liedfetzen, dann fragte sie: »Richtige Seide? Reine Seide? Oder so ein blödes Seidengemisch?«
»So richtig, wie es nur geht«, antwortete Red. »Vollkommen reine orientalische Seide von irgendwo aus Asien. Außerdem gefällt mir diese Farbe an dir.«
»Wirklich?«
»Bringt deine Augen besser zum Strahlen als der meiste Schmuck.«
Ihre Hand strich immer wieder über die Seide. Sie streichelte die orientalische Bluse, als würde die gleich schnurren oder ihr drei Wünsche erfüllen. Dann steckte sie ihre Nase hinein.
»Mein Gott, fühlt sich der Stoff gut an. Ich war schon immer verrückt nach Seide. Das weißt du ja vielleicht. Seide, Seide bedeutet etwas.«
»Na los, zieh an, Mädchen. Lass uns mal sehen, wie du in neuer gelber Seide aussiehst. Na los. Sie gehört dir, kapiert?«
»Ich schätze, das mache ich.«
Glenda nahm ihr Geburtstagsgeschenk, ging aus der Küche ins Schlafzimmer und schloss die Tür.
»Sie freut sich«, sagte Basil. »Gut, dass du dran gedacht hast.«
»Keine Ahnung, warum.«
»Trotzdem nett.«
Basil beugte sich über die Spüle, warf sich Wasser ins Gesicht und fuhr sich ein paarmal mit der Bürste über die Zähne. Red schaute mich an und es schien so, als hätte ich mich in seinen Augen plötzlich irgendwie verbessert; aber vielleicht hatte er auch gerade nur das richtige Maß an Dröhnung erreicht. Sein Gesichtsausdruck verwirrte mich völlig. Glendas Zigaretten lagen auf dem Tisch, ich nahm mir eine und zündete sie an, als seine Pranken auf meinen Schultern landeten und zudrückten.
»Also sag mal, Junge, was hat die Hexe in letzter Zeit so gemacht?«
»Nur, was sie auch machen soll.«
»Und das wäre?«
»Haushalt. Friedhofssachen.«
Seine Hände drückten fester zu.
»Weißt du, Junge, wir kommen nicht so gut miteinander aus, sie und ich, aber ich liebe diese Hexe
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