Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman
Heerden, jetzt keinen Rückzieher. Versuchen Sie es!«
»Billy«, sagte Mpayipheli.
Er musterte den kleinen Mann. »Sie jagen mir keine Angst ein.«
|373| »Schlagen Sie zu, Privatdetektiv, zeigen Sie mir, was Sie draufhaben«, kam es vom Kleinen spöttisch, verführerisch, herausfordernd.
Und dann schlug van Heerden, genervt, mit der offenen Hand zu, er verlor das Gleichgewicht, spürte, wie er fiel, dann lag
er auf dem groben Kies der Einfahrt zum Haus seiner Mutter, hatte Billy Septembers Knie auf der Brust und dessen gestreckte
Finger am Hals. Und September sagte: »Japanischer Karateverband, vierter Dan. Legen Sie sich nicht mit mir an«, und lachte
und streckte ihm dann die Hand hin, um ihm aufzuhelfen.
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Nagel.
Captain Willem Nagel, südafrikanische Polizei, Morddezernat.
Das Erste, was ich von ihm hörte, war ein Furz. Ein unheimlich langer, nicht enden wollender Furz, der dumpf vor sich hin
tönte, während ich durch den Gang schritt auf dem Weg zu seinem Büro, und der noch immer andauerte, als ich eintrat und er
ungerührt weiterfurzend aufblickte; und erst dann, als nichts mehr zu hören war, streckte er mir seine Hand entgegen.
Völlig schamlos ließ er immer und überall seiner Flatulenz freien Lauf, aber das war wahrscheinlich noch der geringste seiner
sozial inakzeptablen Charakterzüge.
Nagel war schamlos. Nagel war ein Sexist, ein Rassist, ein Aufreißer, ständig auf der Suche nach einer neuen »Nummer«, ein
Aufschneider, ein Lügner, ein Großmaul.
Nagel war ein spindeldürrer Mann mit einem hopsenden, hüpfenden Adamsapfel, einer tiefen Stimme und einer Liebe für alles,
was diese Stimme von sich gab.
Nagel kleidete sich geschmacklos und lebte geschmacklos, aß Kentucky Fried Chicken, »weil meine verdammte Alte ums Verrecken
nicht kochen kann«, bis sein Büro nach seinen Fürzen und dem abgestandenen Geruch der Hühnchen stank, genau wie der Ford Sierra,
den wir uns als |375| Dienstwagen teilten; der Geruch wurde Teil meines täglichen Lebens.
Nagel war mein Mentor, der mich in Colonel Willie Theals System einführte, und mit der Zeit liebte ich ihn wie einen Bruder.
Er hörte Abba und Cora Marie (»Die Frau bringt mich zum Weinen, van Heerden«) und sagte, »Mein Gott, dein Klassikscheiß raubt
mir noch den Verstand«. Alles, was er jemals gelesen hatte, war ein »Ratgeber für Liebeskranke«, den er im Sprechzimmer eines
Arztes in einer Frauenzeitschrift entdeckt hatte. Er verbrachte die Abende in seinen Lieblingskneipen mit den »Jungs« und
prahlte mit der Anzahl, Art und Vielfalt der außerehelichen Geschlechtsakte, die er vollführt hatte und bald wieder vollführen
würde, und dann, spätnachts, betrunken, aber aufrecht, musste er in den »Käfig« seiner Ehe zurück.
Willem Nagel. Der wundervolle, exzentrische, politisch inkorrekte Nagel. Mit seinem legendären Polizeigehirn und seiner phänomenalen
Verhaftungsrate.
Ich wünschte, ich hätte ihn nie kennen gelernt.
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Mavis Petersen, die Empfangsdame im Morddezernat, teilte ihm mit, dass Mat Joubert nicht da sei. »Er ist aus persönlichen
Gründen beurlaubt. Weil er am Samstag heiratet«, sagte sie in vertraulichem Ton. »Eine Mrs. Margaret Wallace, eine Engländerin.
Ach, wir freuen uns ja so sehr für ihn, der Mensch ist einfach nicht dafür geschaffen, allein zu leben.«
»Dann möchte ich Nougat sprechen«, sagte van Heerden.
»Der wird nie eine Frau bekommen«, lachte sie. »Der Inspector ist im Gericht. Um seine Aussage abzugeben.« Sie blätterte durch
das vor ihr liegende Buch. »Gerichtssaal B.«
»Danke, Mavis.«
»Und wann heiraten Sie, Captain?«
Kopfschüttelnd marschierte er hinaus.
»Bis zum nächsten Mal, Mavis.«
»Der Mensch ist nicht dafür geschaffen, allein zu leben«, hörte er sie noch hinterherrufen, als er durch die Tür trat.
Erst seine Mutter und jetzt auch noch Mavis.
Seine Mutter, die es so hingedreht hatte, dass Hope heute Nacht bei ihm im Haus schlafen würde.
Er fuhr auf der N1 in die Stadt, die Straße war dicht, obwohl es noch vor der Hauptverkehrszeit war. Wie lange würden die
Straßen im Stadtgebiet den Verkehr noch bewältigen können, fragte er sich, suchte im Rückspiegel nach einem |377| weißen Pick-up, wurde sich bewusst, dass es sehr schwierig sein würde festzustellen, ob er verfolgt wurde, griff unter die
Decke auf dem Beifahrersitz und tastete nach der Heckler & Koch.
Er hatte so schlecht nicht geschossen.
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