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Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman

Titel: Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Gesicht geschlagen hatte, hielt er auch noch die andere Wange hin und sagte,
     er liebe die Weißen umso mehr, denn das sage ihm die Schrift. Und sein Sohn Tobela war ein Mann des Hasses. Und der Gewalt
     und des Kampfes. Das kam nicht plötzlich, aber sehr systematisch, durch jede |403| Demütigung, die meinem Vater zugefügt wurde. Verstehen Sie, ich habe ihn sehr geliebt. Er war ein Mann der Würde, der unglaublichen,
     unantastbaren Würde …«
    Irgendwo rief ein Nachtvogel, weit entfernt dröhnte ein Laster eine Steigung der N7 hinauf.
    »Als ich sechzehn war, haute ich ab und schloss mich dem Freiheitskampf an. Ich konnte nicht mehr zu Hause bleiben, es hatte
     sich genügend Hass aufgestaut, dass ich den Spruch ›ein Siedler, eine Kugel‹ für mich selbst in die Tat umsetzen musste. Ich
     ging den Weg nach Gabarone und Nairobi, und schließlich, als ich zwanzig war und groß und stark und kampfbereit, schickte
     mich der ANC in die Sowjetunion, an einen gottverlassenen Ort namens Saraktasch, im Süden Russlands, etwa hundert Kilometer
     von der kasachischen Grenze entfernt, eine Militärbasis, wo sich ihre Truppen auf den Krieg in Afghanistan vorbereiteten.
     Dort wurden einige der Umkhonto-we-Sizwe-Leute ausgebildet, fragen Sie mich nicht, warum. Aber andererseits glaube ich, dass
     der Kampf am Arsch des Schwarzen Kontinents bei der Militärführung der UdSSR keinen sonderlich hohen Stellenwert einnahm.
    Ich war ein Unruhestifter. Vom ersten Tag an stellte ich Methoden und Inhalt in Frage. Ich wollte nichts über Marx und Lenin
     und Stalin lernen, ich wollte töten. Ich wollte nichts von Schlachtplänen und Panzerkrieg erfahren, sondern lernen, wie man
     schoss und Kehlen aufschlitzte. Ich wollte nicht Russisch lernen, mir gefiel die Arroganz der Sowjetsoldaten nicht, und je
     mehr mir meine Kameraden sagten, ich solle Geduld zeigen, der Weg zum Krieg schlängle sich durch viele unterschiedliche Landschaften,
     umso mehr rebellierte ich, bis zu dem Tag, an dem ich und ein Feldwebel |404| der Roten Armee, ein Usbeke mit Schultern wie ein Stier und einem Nacken wie ein Baumstamm, in einer Kneipe aneinander gerieten.
     Ich verstand kein einziges Wort, das er sagte, aber sein Hass war der Hass der Weißen, und ich konnte nicht widerstehen.
    Sie ließen uns kämpfen. Schließlich kamen alle Soldaten des Lagers zusammen. Zuerst demolierten wir die Kneipe, und dann waren
     wir draußen. Mit Fäusten, Füßen, Ellbogen, Knien, Finger in die Augen, ich war zwanzig und ich war groß und stark, und andere
     meinten, es sei wie Ali gegen Liston gewesen, aber es war schrecklich, er verprügelte mich, bis ich nicht mehr wusste, wo
     mir der Kopf stand, er brach mir sechs Rippen, und ich blutete an Stellen, von denen ich überhaupt nicht gewusst hatte, dass
     er mich dort getroffen hatte.
    Der Unterschied lag letztlich nicht darin, wie groß der Hund ist, der kämpft, sondern wie groß der Kampfgeist im Hund ist.
     Mein Hass war größer als seiner. Und meine Lungen waren sauber, er war Raucher, die russischen Zigaretten, sagte man mir,
     bestanden zu fünfzig Prozent aus Eselsscheiße. Es war kein spektakulärer K.O. Mehr als vierzig Minuten lang hatten wir uns
     gegenseitig fertig gemacht, bis er auf ein Knie sank, Blut spuckte und keine Luft mehr bekam und den Kopf schüttelte. Die
     kleine Gruppe Südafrikaner jubelte, und die Russen wandten sich verärgert ab und ließen ihren Mann einfach liegen, weil er
     Schande über die Weltmacht gebracht hatte. Das hätte es gewesen sein können, hätte der Usbeke nicht später in der Nacht, in
     seinem Bett, einen Herzinfarkt erlitten. Man fand ihn am nächsten Morgen mausetot, und dann kam sie, die Militärpolizei, und
     holte |405| mich aus der Krankenstation, und jetzt frage ich Sie, wie groß ist die Chance, dass ein Xhosa in einem Land, das nichts für
     ihn übrig hat, ein faires Gerichtsverfahren bekommt — vor allem, wenn er nicht sonderlich tiefe Reue zeigt?
    Die Zelle war klein und heiß, sogar im russischen Spätherbst ließ die Sonne das verrostete Eisen knacken, und in der Nacht
     war es so kalt, dass ich mit meinem Atem Kristalle auf das Eisen hauchen konnte, das Essen war ungenießbar. Fünf Wochen hielten
     sie mich dort fest, allein in einer Zelle, die so groß war wie ein Außenabort, und in meinem Kopf marschierte ich über die
     Hügel der Transkei und sprach mit meinem Vater und liebte dralle Mädchen mit großen Brüsten, und als meine Rippen

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