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Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman

Titel: Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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verheilt
     waren, machte ich Sit-ups und Liegestützen und Kniebeugen, bis der Schweiß kleine Lachen auf dem Boden bildete.
    Während ich darauf wartete, dass etwas geschah, waren andere am Werk, um mich rauszuholen. Seltsam, wie einem das Leben manchmal
     spielt. Der Kommandant des Lagers war ein Rugby-Fan, erst später erfuhr ich, dass Rugby in der Sowjetarmee nicht unbeliebt
     war, zwar bei weitem nicht so populär wie Fußball, aber es gab genügend Männer in Saraktasch, um eine gute Mannschaft aufs
     Feld zu bringen. Sie waren im Jahr zuvor bei den Meisterschaften der Roten Armee Zweiter geworden, und die neue Spielzeit
     stand gerade an, und so hatte sich der Kommandant in den Kopf gesetzt, dass die Südafrikaner – sie kamen ja schließlich aus
     dem Land der Springboks – genau die Richtigen wären, damit sich sein Team auf das erste Spiel gegen den Vorjahresgewinner
     vorbereiten konnte.
    |406| Sie können sich vorstellen, unter unseren hundertzwanzig Leuten waren nur Schwarze, die vom Spiel nicht die geringste Ahnung
     hatten, der Rest waren Xhosa, Zulu, Tswana und Sotho und Venda, und Rugby war der Sport der weißen Unterdrücker. Unser Umkhonto-Führer
     war Moses Morape, und wenn einer deiner Männer in der Zelle sitzt und du siehst eine Möglichkeit, ihn herauszubekommen, dann
     ergreifst du sie. Als der russische Kommandant ein Spiel vorschlug, hielten unsere Jungs ein
indaba
ab, und Rudewaan Moosa, ein Kapmalaie und gläubiger Moslem, der die Russen sowieso hasste, weil sie so gottlos waren, sagte,
     er habe Verbinder in der südafrikanischen Rugby Federation gespielt und wolle uns trainieren, denn das sei die Gelegenheit,
     um es den Weißen mal richtig zu zeigen.
    Morape begann also mit den Verhandlungen. Er schlug zunächst Fußball als Alternative vor, weil wir wussten, wir würden ihre
     russischen Ärsche in Grund und Boden spielen, aber der Kommandant wollte davon nichts wissen. Dann sagte Morape, okay, spielen
     wir Rugby, aber Mpayipheli müsse freigelassen werden. Und das südafrikanische Team müsse die gleiche Ausrüstung erhalten wie
     die Russen.
    ›Aber Mpayipheli ist ein Mörder‹, antwortete der Kommandant, und Morape meinte, es wäre ein fairer Kampf gewesen, doch der
     Kommandant schüttelte nur den Kopf und sagte, die Gerechtigkeit würde ihren Lauf nehmen, und Morape sagte, dann gebe es eben
     kein Vorbereitungsspiel, so ging das zwei Wochen lang hin und her, bis der Kommandant sich einverstanden erklärte, aber unter
     zwei Bedingungen: Ihr müsst gewinnen. Und Mpayipheli muss spielen, |407| ansonsten würden seine Leute den Deal nicht akzeptieren. Morape schlug ein.
    Ich wollte davon nichts wissen. Ich sagte, lieber gehe ich in meine Zelle zurück, aber der oberste
indunas
stellte mich vor die Wahl: Entweder ich spiele, oder sie würden mich nach Sambia schicken, wo ich für den Rest des Freiheitskampfes
     als Bürohengst in einem Nachschublager Dienst schieben könnte — nachdem die Gerichtsbarkeit der Sowjetarmee mit mir durch
     war. Sie hatten von mir die Schnauze voll, ich hatte die Wahl.
    Zwei Tage später war unser erstes Training. Zwei Mannschaften waren nach Kraft und Größe und potenziellem Talent der Spieler
     zusammengestellt worden. Es war das reinste Chaos. Wie Kinder in der ersten Klasse, die sich alle auf den Ball stürzten und
     durcheinander brüllten und wirr über den Platz liefen. Die Russen, die am Spielfeldrand zusahen, lachten so laut, dass wir
     nicht mehr verstanden, was Moosa uns sagte, wir waren so blöd, dass es zum Himmel schrie. Drei Wochen waren viel zu kurz.
     Wir waren Kanonenfutter.
    Aber Moosa war clever. Und geduldig. In der Nacht nach unserem ersten Training dachte er viel nach. Und änderte seine Strategie.
     Beschloss, das Training erst einmal ins Klassenzimmer zu verlegen, und vier Tage lang lernten wir an einer Tafel die Theorie
     des Rugby, die Regeln, ein nicht enden wollender Schauer unverständlicher Regeln ging über uns nieder, dann analysierten wir
     jede Position, prägten uns jede Strategie ein, und am fünften Tag, um sechs Uhr morgens, waren wir wieder auf dem Spielfeld,
     noch bevor die Russen in die Gänge kamen. Moosa drillte uns: die |408| Verteidigung auf die eine, der Sturm auf die andere Seite, Gasse, Gedränge, offenes Gedränge, Hakeln, Tackeln, führte uns
     ganz, ganz langsam durch jeden Schritt.
    Es wurde besser, war aber noch immer ziemlich kläglich, es war, als wollte dieses Spiel der Weißen den Jungs

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