Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman
hatte keine Eile, etwas stimmte nicht, der Soldat kam zu ihnen hoch.
|427| »Van Heerden?«
»Ja.«
»Der Colonel will Sie unten haben.«
Er marschierte hinunter, nur der eine Soldat begleitete ihn. »Sie haben Schlebusch entkommen lassen.«
Schweigen. Nur das Knirschen des Schotterwegs, laut die Stiefel des Soldaten, seine Turnschuhe leiser. Das Grundstück lag
vor ihm, alles war verfallen, die weiße Farbe am Außengebäude blätterte ab, langes Gras, Kletterpflanzen rankten sich über
eine Steinmauer, Gräser im Obstgarten. Er betrachtete den Pick-up, als er an ihm vorbeiging, irgendwas stimmte mit dem verdammten
Pick-up nicht, was war es nur? Der Soldat betrat die Veranda, mit einem Kopfnicken wies er zum Eingang.
»Erste Tür rechts.«
Er ging hinein. Bester Brits stand vor ihm, die Arme verschränkt. Auf dem Teppich lag Bushy Schlebusch, halb auf seinem Gesicht
oder dem, was davon noch übrig war, das Blut eine unregelmäßige, rötlich-braune Lache auf dem Parkett, dort, wo Auge und Nase
gewesen waren, die Austrittsöffnung, im Hinterkopf ein Loch, die Hände auf dem Rücken gefesselt.
Verblüfft sah er sich um, stellte die Zusammenhänge her, ein Schuss, wie bei einer Exekution, in den Hinterkopf, und dann
wusste er, was mit dem Wagen nicht stimmte, so wie er ihn auf der N7 gesehen und in Erinnerung hatte. Schlebusch war aus der
linken Seite gestiegen. Also hatte er angenommen, dass er wie Kemps importierter Ford linksgesteuert war. Aber Schlebusch
war nicht der Fahrer gewesen, es hatte einen anderen gegeben, oder mehr als einen. Er |428| fluchte, er hätte es sich denken können, es war nicht der Nachbar, der angerufen hatte, wie zum Teufel konnte ein Nachbar
anonym bleiben, es war …
»Sie haben ihn auf dem Gewissen, van Heerden.«
»Was?«
»Das Foto heute Morgen in der Zeitung. Sie haben es sich nicht leisten können, ihn am Leben zu lassen.«
Er kam ins Stottern, tausend Gedanken gingen ihm durch den Kopf, keiner ergab Sinn. Schlebusch der eine, der Anführer, so
hatte er sich alles vorgestellt. Schlebusch war seine Beute. Er hatte mit den neuen Informationen zu ringen. »Sie. Wer sind
›sie‹, Brits?«
»Glauben Sie, ich wäre hier, wenn ich das wüsste?«
Er trat einen Schritt vor, fuhr mit dem Finger durch die Blutlache, es war dick und klebrig, aber noch nicht geronnen. O Gott,
es muss erst vor wenigen Stunden geschehen sein, und dann sah er alles vor sich: Sie mussten auf die Zeitungen gewartet haben,
irgendwo, wie jeden Morgen, seitdem der erste Artikel erschienen war, hatten gewartet und dann Pläne geschmiedet. Dann hatten
sie Schlebusch erschossen und ihn angerufen, die Stimme am Telefon so ruhig, so unschuldig. Sie wussten, er würde kommen,
und dann war er vor Furcht fast wie gelähmt, seine Mutter, seine Mutter, seine Mutter. »O Gott!«, brüllte er und stürmte hinaus
durch die Tür, zurück zu den Soldaten, die sein Handy hatten, und fluchte, wütend auf sich und seine mangelnde Voraussicht.
»Van Heerden!«, rief ihm Brits hinterher.
»Meine Mutter, Brits!«, schrie er und hörte den morgendlichen Anrufer wieder, die ruhige, sichere Stimme. Nicht |429| die Stimme eines hasserfüllten Psychopathen, sondern die eines stillen Strategen, was schlimmer, viel, viel schlimmer war.
Billy September sah sie kommen, er griff sich die AK47, dann wurde ihm bewusst, dass er als Erstes die Frauen im Haus schützen
musste: Carolina de Jager im Badezimmer, Wilna van As in der Küche, Joan van Heerden irgendwo draußen bei den Ställen. Vier
Männer, die von vorn, von der Straße her kamen, Waffen in den Händen, sie bewegten sich offen zwischen den Bäumen und Sträuchern,
voller Selbstvertrauen, im sicheren Wissen, dass Joan van Heerden allein war.
Er schrie Wilna van As zu, »sie kommen, ins Schlafzimmer, legen Sie sich flach auf den Boden«, hämmerte gegen die Badezimmertür,
»es gibt Probleme, kommen Sie raus«. Wilna van As’ Augen waren schreckgeweitet, er deutete auf sie, »schauen Sie, dort, bleiben
Sie bitte im Schlafzimmer«. Er rannte in die Küche, spähte zu den Ställen, sah keine Joan van Heerden, rannte ins Wohnzimmer,
blickte durch das große Fenster. Sie waren bereits näher gekommen. Die Badezimmertür ging auf, Carolina de Jager in einem
rosafarbenen Morgenrock. »Was ist los?«
»Sie sind hier, Madam, vier Männer mit Gewehren, gehen Sie ins Schlafzimmer, schließen Sie die Tür ab und legen Sie sich flach
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