Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman
ich wollte sie trinken, an ihr nippen,
sie aufsaugen, um den ungeheuren Durst zu löschen.
»Kommen Sie mit nach hinten, dann können wir am Pool was trinken.« Sie war vor mir durch den Flur gegangen, mein Blick haftete
an ihr, vorbei an Bücherschränken, ich verschlang sie mit den Augen, durch meinen Kopf wieselten Schuldgefühle wie nachtaktive
Tiere, und dann hinaus in den Garten, wo ein Buch lag. Ein Gedichtband. Betta Wandrag:
Morning Star
.
Ich wusste es. Sie wusste es. Schon in diesen ersten Momenten.
Aber ich konnte es nicht verstehen.
Warum?
Warum musste die Eine Nonnie Nagel heißen?
Die Frau meines Freundes und Kollegen.
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Neben der Eingangstür befand sich ein hohes, schmales Fenster, und als er sich vom Boden aufrichtete, um mit dem Lauf der
AK die Jalousie zur Seite zu schieben, erschossen sie Billy September. Er spürte das Geschoss, das sein Schlüsselbein zerschmetterte,
den gewaltigen Aufprall, der ihn nach hinten gegen die Rückwand der Eingangsdiele schleuderte, Glassplitter furchten durch
sein Gesicht, sein Arm war gelähmt. Noch einmal fasste er nach vorn, sah an sich hinab, Blut schwappte aus seinem Brustkorb,
aus seinem Bauch. Er stöhnte, sein Körper, sie zermanschten seinen Körper, Pockennarben in der Wand, ohrenbetäubender Lärm,
sein Blut auf dem Boden. Er würde sterben, plötzlich wusste er es, hier, an diesem Ort würde er sterben, er presste die Hände
gegen die Wunde am Hals. So viel Blut, zum Teufel, er sah zur Sonne, die durch die Löcher in der Tür strahlte, dann stürmte
ein Mann herein, stand vor ihm, ein großer weißer Mann mit Stoppelbart und einem Grinsen, nur kurz stand er vor ihm, dann
ging er weiter, ins Wohnzimmer. Billy September hörte die Remington donnern, ein Schuss. Langsam drehte er sich um, sein Arm
war tot, sein Körper weit, weit weg, Schmerzen im Bauch, langsam drehte er sich um, sah den mit dem Stoppelbart, der auf dem
Wohnzimmerboden lag, auf dem Rücken, sein Gesicht war weggesprengt. Billy September |439| lächelte, leg dich nicht mit einer
Boervrou
an, dann Stille, tödliche Stille, zwei waren noch draußen, er musste den Blutfluss stoppen.
Die Oryx flog niedrig, 200 Meter über dem Boden, über die Küste am Bloubergstrand, die großen Motoren dröhnten, die Seitentüren
standen offen, der gesamte Rahmen vibrierte.
»Noch fünf Minuten bis zum Absetzen«, sagte der Pilot über die interne Sprechverbindung und sah auf die Geschwindigkeitsanzeige,
309 Stundenkilometer. »Nicht schlecht für die alte Lady«, sagte er und erinnerte sich, dass die Verbindung noch offen war.
Etwas verlegen lächelte er.
»Ich fass es einfach nicht«, sagte van Heerden. Tiny Mpayipheli fuhr wie der Henker, verlor am Kreisverkehr des Constantia
Neck fast die Kontrolle über den Wagen, riss am Lenkrad, am Schaltknüppel.
»Ich fass es nicht, o Gott, ich war so dämlich, sie haben von Anfang an ihr Spielchen mit mir getrieben.« Er griff sich das
Handy, dessen Display nichts mehr anzeigte, drückte auf die »on«- Taste, das Display leuchtete auf, es funktionierte noch.
»Enter pin code.«
Er fluchte und warf es wieder auf den Boden.
»Hier.« Tiny fischte ein Handy aus der Tasche, bog links zum Botanischen Garten ab, wich einer joggenden Frau mittleren Alters
mit Zellulitisbeinen aus, fluchte auf Xhosa. Van Heerden nahm das Handy, gab die Nummer seiner Mutter ein, bekam ein Besetztzeichen,
versuchte es erneut, wieder der frustrierende Ton. Er wählte die Nummer des |440| Apparats, an dem Hope Beneke wartete — ebenfalls besetzt —, wählte wieder die Nummer seiner Mutter — besetzt —, und dann fielen
plötzlich die Angst und Wut und Enttäuschung von ihm ab, er gelangte in ruhigere Gewässer, atmete tief durch, er konnte nichts
tun. Er lehnte sich in seinem Sitz zurück, schloss die Augen. Dachte nach.
Joan van Heerden sah zwei Männer mit Gewehren um die Ecke des Hauses kommen, offensichtlich auf dem Weg zum Hintereingang,
Schüsse waren nicht mehr zu hören nach dem schrecklichen Lärm. Das Herz pochte ihr bis zum Hals, sie glitt hinter die Ecke
des Stallgebäudes, damit sie aus deren Sichtfeld verschwand, ließ den Blick schweifen, suchte nach einer Waffe. Sah einen
Spaten an der Wand lehnen, packte ihn mit beiden Händen, spähte vorsichtig um die Ecke. Die Männer waren an der Hintertür.
Sie legte den Spaten ab, zog die Stiefel aus, griff wieder nach dem Spaten, spähte erneut um
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