Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman
Spekulationen,
in denen ich mich schnell verhedderte.
Zu meiner großen Scham muss ich gestehen, dass seine Worte, der Fehdehandschuh, den er mir hinwarf, unserer heimlichen Beziehung
ein zusätzliches Element der Spannung, der adrenalingesättigten Erregung verlieh. Ein Faktor, der uns in unserem Versteckspiel
noch mehr miteinander vereinte, der das Band unserer Liebe noch verstärkte. In |474| unseren gemeinsamen Augenblicken, in ihrem Haus, in Nagels Bett, wenn wir uns in den Armen lagen, erörterten wir verschwörerisch
seine Verdachtsmomente, sprachen über unser Verhalten, suchten nach Momenten, in denen wir uns vielleicht verraten hatten
— und kamen jedes Mal zu dem Schluss, dass es für ihn keinen Grund geben dürfte, uns zu verdächtigen.
Die Zeit, die wir zusammen sein konnten, war beklagenswert begrenzt: manchmal ein oder zwei Stunden am Tag, wenn die langsamen
Mühlen der Justiz ihn als Zeugen bei einer Gerichtsverhandlung festhielten; wenn er es sich auf einem Barhocker bequem machte,
um den Abend mit dem ernsthaften Geschäft des Trinkens zu verbringen; und die ach so seltenen süßen Tage und Nächte, wenn
er das Kap verlassen musste, um den langen Arm des Gesetzes auch über die ländliche Provinz auszustrecken.
In diesen Augenblicken wurde Nonnie Nagel zu meinem ganzen Leben. Ich dachte an sie, wenn ich morgens die Augen aufschlug,
und dachte noch immer an sie, wenn ich mit schmerzlicher Sehnsucht abends schlafen ging. Meine Liebe für sie war alles umfassend,
alles überdauernd, ein Virus, ein Fieber, eine Zuflucht.
Meine Liebe für sie war rechtens, gerecht und gut. Nagel hatte sie zurückgewiesen, ich hatte sie entdeckt, umarmt und verehrt,
sie gehörte mir. Meine Liebe für sie war rein, schön und sanft. Deshalb war sie rechtens, trotz des schrecklichen, täglichen
Verrats. Ich redete es mir schön, jede Stunde, jeden Tag, sagte ihr, er habe die Wahl gehabt und seine Entscheidung getroffen.
Zusammen erhöhten wir unsere Beziehung zu einem Kreuzzug der Liebe und Gerechtigkeit.
|475| Warum verließ sie ihn nicht einfach?
Ich fragte sie das einmal, und sie sah mich nur mit ihren wunderschönen, sanften Augen an und ließ mir eine Geste unendlicher
Hilflosigkeit zukommen. Ich zog meine eigenen Schlussfolgerungen. Ich vermutete, sie war wie so viele missbrauchte Frauen
das Opfer einer zerstörerischen Beziehung, in der schon ein Wort des Lobes den Abhängigkeiten erzeugenden Rettungsring in
der stürmischen See unablässiger Nörgelei bedeutete. Ich vermutete, sie traute sich nicht mehr zu, allein zu sein, sie glaubte,
dass sie ohne ihn nicht mehr leben könnte.
Ich fragte sie nicht mehr danach, ich wusste, ich würde die Sache selbst in die Hand nehmen müssen.
Aber vielleicht lag es auch an der Art unserer Beziehung, die es zeitlich kaum zuließ, dass wir uns über die Zukunft unterhielten,
vielleicht lag es auch daran, dass wir uns sicher sein wollten, vielleicht wollten wir noch nicht von der Erregung des Verbotenen
lassen. Im Grunde sprachen wir nie darüber, wie sie ihre Ehe beenden sollte.
Und eines Nachmittags (er war wieder im Gericht), nachdem wir uns geliebt und den Schweiß auf unserer Haut hatten trocknen
lassen, sagte ich das, was so vieles verändern sollte.
Was ich hätte sagen sollen, lautete: »Nonnie, ich liebe dich. Heirate mich.«
Was ich tatsächlich sagte, besaß den gleichen Tenor, war jedoch das Ergebnis meiner Schuldgefühle, meiner Angst und meiner
Besessenheit.
»Wie werden wir Nagel los?«, hatte ich gefragt, ohne viel darüber nachzudenken, ohne die Bedeutung meiner Worte zu ermessen.
|476| 51
Bart de Wit und Mat Joubert hatten Tony O’Grady ziemlich in die Mangel genommen.
»Van Heerden hatte nichts, und er hat aus diesem Fall was gemacht — er hatte keine Forensik, keine Detectives, keinen Polizeiapparat,
nichts. Jetzt liegt es an Ihnen, Anthony O’Grady, Ihren Arsch hochzubekommen, das gesamte südafrikanische Militär lacht über
uns, die Medien lachen über uns, der Regierungsbeauftragte staucht uns am Telefon zusammen, und der Justizminister der Provinz
hat angerufen und gesagt, der Sache müsse ein Ende bereitet werden. So könne es nicht weitergehen. Jetzt übernehmen Sie den
Fall. Sagen Sie uns, was Sie brauchen. Bringen Sie die Dinge ins Rollen.«
Und jetzt stand er vor der beeindruckenden Oberschwester der Milnerton MediClinic, und sein Schwabbelgesicht lief knallrot
an, sein massiger
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