Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman
Schießerei.«
»Ich muss fort.« Er stand in der Tür zu seinem Haus, in der Hand die Maschinenpistole.
»Warum warst du gestern Abend bei mir?«
»Ich wollte … dir was sagen.«
»Sag’s mir jetzt.«
»Ich muss los.«
»Du wolltest wissen, warum ich so bin, wie ich bin.«
Er schob sich an ihr vorbei. »Das ist ein schlechter Zeitpunkt«, sagte er und ging auf das Haus seiner Mutter zu. Er musste
Tiny holen.
»Weil du Angst hat, dass du genauso bist wie ich.« Es war keine Frage.
Er blieb stehen, drehte sich um. »Nein«, sagte er.
Sie lachte. »Zatopek, es ist in dir. Und das weißt du.«
Er betrachtete ihre Schönheit, ihr Lächeln, die perfekten Zähne. Dann ging er weiter, immer schneller, um sich so von ihrem
Lachen zu entfernen.
Vier Minuten nach zwei traf Nougat O’Grady in Hope Benekes Büro ein. »Wir müssen den Fall übernehmen«, sagte er.
»Ich weiß«, antwortete Hope Beneke; sie überlegte, wie sie ihn in den nächsten Minuten loswerden sollte.
|481| »Ich glaube nämlich, van Heerden hat uns nicht alles erzählt«, begann er und fragte sich, warum diese Anwältin immer Kleidung
trug, die ihre Vorzüge verbarg. Vermutlich steckte darunter ein hübscher Körper. Er setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber.
»Viele Menschen sind gestorben, Miss Beneke. Und solange Sie uns nicht alles mitteilen, was Sie wissen, wird das Blutvergießen
weitergehen. Wollen Sie das Ihrem Gewissen aufladen?«
»Nein«, sagte sie.
»Dann …«
Das Telefon klingelte. Sie zuckte zusammen.
»Sie erwarten einen Anruf?«, fragte er und wusste instinktiv, dass hier etwas im Gange war. »Bitte, nur zu. Wir sind doch
jetzt ein Team, sozusagen.«
Der Betreiber der Girls to Go Agency in der 12th Avenue in Observatory sah aus wie ein pensionierter Filmstar — lange, elegante
Nase, quadratisches Kinn, schwarzes Haar mit einigen grauen Stellen durchsetzt, ein buschiger Tom-Selleck-Schnauzer —, aber
als er den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, zeigte sich ein Gebiss, dessen Verfall erschreckend weit fortgeschritten war:
gelb gefleckte, schiefstehende Zähne, von denen die Hälfte bereits fehlte.
»Das tsind vertrauliche Informatsionen«, sagte er zu Zatopek van Heerden und Tiny Mpayipheli in seiner leichten Lispelstimme.
»Der Einsatzort einer Prostituierten ist keine vertrauliche Information«, entgegnete van Heerden.
»Tseigen Tsie mir Ihren Ausweis.«
»Ich bin Privatermittler. Ich habe keinen Ausweis«, sagte er |482| langsam und geduldig. Aber er wusste nicht, wie lange er sich noch beherrschen könnte.
»Hier ist
mein
Ausweis«, sagte Tiny Mpayipheli ungeduldig und schlug seine Jacke zurück, unter der in einem Schulterhalfter die Rossi 462
zum Vorschein kam.
»Ich habe keine Angst vor Pisstholen«, sagte der Filmstar.
Der Xhosa zog den 357er Magnum-Revolver und schoss ein Loch in das »O« von »Go«, das auf einem Schild hinter dem Mann stand.
Der Lärm in dem kleinen Raum war ohrenbetäubend. Hinter einer Tür kreischten einige Frauen.
»Die Nächste geht durch dein Knie«, sagte Mpayipheli.
Die Tür wurde geöffnet. Eine junge Frau mit grünem Haar und großen Augen fragte: »Was ist hier los, Vincent?«
»Nichths, womit ich nicht tsurechtkomme«, antwortete er ruhig, alles andere als eingeschüchtert.
»Die Adresse, Vincent«, sagte van Heerden.
Vincent betrachtete sie mit einem Blick, der bereits alles gesehen hatte, sah zur Rossi, die auf sein Bein gerichtet war,
schüttelte bedächtig den Kopf, als verstünde er die Welt nicht mehr, nahm den Kreditkartenbeleg, den van Heerden auf den Tisch
gelegt hatte, und begann gemächlich durch sein Buch zu blättern.
Tiny steckte die Waffe unter sein Jackett. Sie warteten. Vincent befeuchtete einen Finger und blätterte weiter.
»Hier isht es«, sagte er.
»Die Leitung wird vom Militärischen Nachrichtendienst abgehört«, teilte Hope dem Mann am Telefon mit. »Ich muss Sie bitten,
eine andere Nummer zu wählen, eine Handy-Nummer. Mein Kollege erwartet Ihren Anruf.«
|483| Kurze Stille. »Nein«, sagte er. »Gehen Sie in den Coffee King im Protea Hotel neben Ihrem Bürogebäude. Dort werde ich in fünf
Minuten anrufen.«
»Scheii…«, sagte Hope Beneke und biss sich auf die Zunge. »Ich muss los«, sagte sie und erhob sich hinter ihrem Schreibtisch.
»Ich komme mit«, sagte Nougat. »Wohin geht es?« Sie rannten durch den Gang, hinaus zur Tür, die Treppe hinab und aus dem Gebäude,
die
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