Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman
ganzen Körper lief.
Nur mein Gewissen, mein schuldbeladenes, schuldiges Gewissen, und die stille Erkenntnis, dass Nonnie mir gehörte, hielten
mich davon ab, es auf eine offene Konfrontation ankommen zu lassen; sie erlaubten mir zurückzustehen, obwohl ich wusste und
mir ganz sicher war, dass seine Methoden, um den Rotbandmörder zu stoppen, die falschen waren.
Ich bin davon überzeugt, dass wir den Mörder hätten schneller zur Strecke bringen können, wenn diese Auseinandersetzungen
zwischen uns nicht gewesen wären. Die Gelegenheiten dazu glitten an uns vorüber, eine nach der |491| anderen, während Nagel darum kämpfte, mich auf meinen Platz zu verweisen.
Schließlich löste er den Fall mit konventionellen kriminalistischen Mitteln und Belastungsmomenten, die von den Reifenspuren
und Teppichfasern des Wohnmobils stammten. »Und nicht mit deinem psychologischen Scheiß«, wie er mir sagte, als wir uns an
jenem letzten Abend auf den Weg machten, um die Verhaftung vorzunehmen.
Herrgott, und dabei hatte dieser Abend so gut begonnen.
|492| 53
»Wir treffen uns in zehn Minuten im Café Paradiso in der Kloof Street«, sagte der Mann am Telefon zu Hope.
»Wie werde ich Sie erkennen?«
»Ich trage eine braune Lederjacke.« Dann war die Leitung tot. Sie legte den Hörer auf. »Vielen Dank«, sagte sie zu der Taiwanesin
und rannte zur Tür hinaus.
Nougat O’Grady fluchte verhalten und stürzte ihr hinterher.
»Haben Sie schon mal von fetten Typen gehört, die unheimlich flink auf den Beinen sind?«
»Ja«, sagte sie.
»Nun, ich bin keiner von denen.«
»Wer hat dich geschickt?«, hatte Bester Brits Gary gefragt, und die Antwort hatte Oh-ri-un gelautet, was er nicht hören wollte,
weil er an nichts anderes dachte als die Vergangenheit, aber dann begann er nachzudenken, lange, lange nachzudenken, weshalb
jetzt ein Telefonbuch vor ihm aufgeschlagen lag und sein Finger die Eintragungen entlangfuhr: Orion Motors. Orion Printers.
Orion Telecom Corporation. Orion Solutions, Orion Wool & Crafts, alle Einträge waren in dicken schwarzen Lettern gedruckt,
alle bis auf Orion Printers und Orion Solutions.
|493| Oh-ri-unSh …
Alle ganz offensichtlich Geschäftsunternehmen, bis auf Orion Solutions.
Oh-ri-unSh …
Nur der Name der Firma und die Nummer, 462-555, keine Adresse, keine Faxnummer, nichts. Hatten Sie tatsächlich den Namen beibehalten,
waren sie wirklich so arrogant, so skrupellos gewesen?
Bester Brits wählte die Nummer von Orion Solutions.
»Hinterlassen Sie bitte Ihren Namen und Ihre Nummer, und wir rufen Sie zurück.«
Nicht unbedingt kundenfreundlich.
Er wählte eine andere Nummer.
»Sergeant Pienaar.«
»Pine, hier ist Bester Brits.«
»Colonel!«
»Ich brauche die Adresse zu einer Telefonnummer, will aber nicht den offiziellen Weg nehmen.«
»Geben Sie mir fünf Minuten, Colonel.«
Er lehnte sich zurück. Ein hoher Dienstgrad hatte seine Vorteile.
Er hatte sich, was die Munition anbelangte, getäuscht: Die R4 begann zu stottern, als er in das Apartment brach, sich abrollte,
weiter rollte, während die Geschosse hinter ihm eine Naht in den Boden rissen und er, einmal, zweimal, dreimal, mit der Z88
wild um sich schoss, hoffnungslos weit am Ziel vorbei, seine Angst versetzte ihm einen Adrenalinstoß, ansonsten Putzbrocken
und Holz, Staub und Splitter, ohrenbetäubender Lärm. Tiny Mpayiphelis Rossi 357er Magnum |494| donnerte einmal, dann war alles ruhig, hinter einem billigen Wohnzimmersessel rollte er aus, sein Herz hämmerte, Blut schoss
durch seinen Körper, seine Hände zitterten.
»Er hat mit dem ›wir‹ geblufft«, sagte Tiny.
Van Heerden stand auf, wischte sich den Staub von der Kleidung, betrachtete den Mann, dessen oberer Teil des Schädels von
der großkalibrigen Pistole weggeschossen worden war. Die Sirenen waren näher, laut und deutlich zu hören. »Wir haben nicht
viel Zeit«, sagte er. »Wir müssen wieder draußen sein, bevor die Polizei da ist.«
Er durchsuchte die Taschen des Toten — die fünfte Leiche heute, dachte er —, und spürte, wie ihm beim Anblick der Gehirn-
und Knochenfragmente und des Bluts schlecht wurde. Er fand nichts, sah sich im spartanisch eingerichteten Zimmer um, leere
Pizzakartons auf der Küchentheke aus Resopal, leere Bierflaschen auf dem Beistelltisch, leere Kaffeetassen im Ausguss, zwei
kleine Munitionsschachteln auf dem Boden, von denen eine geöffnet war.
»Ich such mir dann später mein
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