Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman
Wir tanzten, der Schweiß tropfte von unseren Körpern. Mein
Hemd, ihr Kleid klebten am Körper, ihre Augen leuchteten, ihr Lachen, ihre Freude schimmerten, alle konnten es sehen.
Und dann wollte sie ein Bier, wir schoben uns durch die Menge zu einer Theke und stürzten die eiskalten Getränke hinunter,
bestellten zwei weitere, sahen uns nach einem Sitzplatz um und tranken die zweiten langsamer, den Blick auf die anderen Tänzer
gerichtet. Ein dünner kleiner Kerl in schwarzer Hose, weißem Hemd und schwarzer Weste forderte sie zum Tanz auf, fragend blickte
sie mich an, ich nickte. Sie erhob sich und tanzte mit ihm, und ich beobachtete sie, fühlte mich leicht, getragen von einem
Schwindelgefühl der Liebe und Zärtlichkeit, sah sie mit ihm gekonnt über die Tanzfläche gleiten und erinnerte mich in diesem
Augenblick |506| an Wyk Louws Gedicht
Die Stunde des dunklen Dursts
. Ich hörte Betta Wandrags Stimme wieder, die diese traurig-schönen Worte rezitiert hatte:
Um elf Uhr war dein Körper/Hunger und Durst in mir …
Und dann kam sie und holte mich ab, und wir tanzten, und um zehn sah sie auf ihre Uhr und sagte »komm«, sie zog mich zum Wagen,
zu meinem Haus, und wir rissen uns auf dem Weg vom Eingang zum Doppelbett in fieberhafter Eile die Kleidung vom Leib, um so
schnell wie möglich an Haut und Fleisch und die Liebe zu kommen, und Betta Wandrag hatte Recht gehabt, Liebe mit der Einen
war anders, so göttlich anders.
Um ein Uhr verstrickte dein Haar
meine Hand in ein böses Netz,
dein Körper wie schwarzes, stilles Wasser,
dein Atem ein leises Schluchzen.
Irgendwann nach elf lagen wir uns in den Armen, flüsterten, wie wir es immer taten, flüsterten, um das Geheimnis unseres Zusammenseins
zu wahren, unterhielten uns belanglos, lachend, als er an die Tür hämmerte, mit den Fäusten ein dumpfes
domm, domm, domm
gegen die Tür schlug, und wir lagen da wie versteinert. Ich zog Shorts an. »Mach nicht auf«, sagte sie flüsternd, drängend,
verzweifelt, flehentlich. Ich ging hinaus. »Bitte«, hörte ich sie sagen, als ich durch den dunklen Gang schritt.
Domm, domm, domm
gegen die Eingangstür, ich öffnete, und Nagel stand davor, seine Augen brannten.
»Zieh dich an. Wir wissen, wo der Rotbandmörder ist.«
|507| Wir sahen uns an, hier auf der Schwelle des Hauses, wir wussten beide, dass sie drin lag, zwischen uns Hass, tiefer, schwarzer
Hass, bis er sich umdrehte.
»Ich warte im Wagen.«
|508| 55
Sprenkel Venter, dachte er, der Einzige, der übrig blieb.
»… und dann durften wir schlafen … Wir waren hundemüde, aber dann hat Sprenkel seine Gitarre ausgepackt. Eigentlich heißt
er Michael Venter. Er ist sehr klein, Pa, und hat einen großen Leberfleck am Hals. Deswegen wird er nur Sprenkel genannt.
Er stammt aus Humansdorp. Sein Vater ist Autospengler. Er hat ein Lied über seine Stadt geschrieben. Es ist ziemlich traurig.«
Ein Gitarre spielender Junge vom Land. Steckte er hinter allem?
Er wählte die Nummer auf dem Handy.
»Morddezernat, Mavis Petersen.«
»Mavis, hier ist Zatopek van Heerden. Tony O’Grady ist soeben im Café Paradiso, Kloof Street, erschossen worden. Sie müssen
Joubert informieren. Und auch de Wit.«
»Großer Gott.«
»Mavis …«
»Ich höre, Captain, ich werde es ihm sagen.«
»Danke, Mavis.« Er beendete das Gespräch. Jetzt würde die Hölle losbrechen. Doch bevor das geschah … »Wir brauchen einen Stadtplan
von Kapstadt«, sagte er zu Tiny Mpayipheli.
»Es liegt einer im Handschuhfach.«
Er schlug ihn auf, suchte im Verzeichnis nach der Solan Street, fand den Verweis, drehte die Karte um.
|509| »Sie ist gleich unter uns.«
»Aber wir holen erst die Anwältin ab?«
»Und James Vergottini.«
Und dann würden sie diese Sache aufdecken, diese Pandorabüchse öffnen, diese Dose mit ihren wimmelnden Würmern.
Endlich ein noch lebender Zeuge.
Mpayipheli bog mit quietschenden Reifen in die Kloof Street ein, hin zu der von Hope bezeichneten Ecke. Ein Krankenwagen stand
vor dem Café Paradiso, daneben ein weißer Opel mit blauen Polizeilichtern. Sie entdeckten Hopes BMW weiter oben in der Straße,
fuhren näher, blieben neben dem Wagen stehen.
Niemand war zu sehen.
»Scheiße«, sagte van Heerden.
»Sie sollten Schriftsteller werden«, sagte Mpayipheli. »Bei Ihrer Sprachbegabung.«
Van Heerden schwieg. Er fühlte sich erschöpft. Zu wenig Schlaf. Zu viel Adrenalin. Zu viel Kampf.
Wieder klingelte Tinys Handy. Er
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