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Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman

Titel: Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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gestanden hatte, sah ihn zu Boden gehen, drehte die Waffe, verfehlte Simon, Herrgott, nicht jetzt, feuerte erneut, der Lauf
     der M16 richtete sich auf ihn, |522| er feuerte ein weiteres Mal, traf ihn im Hals, riss die Z88 herum, und dann brannte sich das glühend heiße Blei durch seinen
     Körper, hob ihn von den Füßen, schleuderte ihn gegen die Wand, eine weitere Kugel. Wo war seine Pistole? Scheiße, es tat so
     weh, er war so müde, er sah auf seinen Brustkorb, so kleine Löcher, warum waren die Löcher so klein, so viele Schüsse im Raum,
     so viel Lärm, jemand schrie, ein hoher, verängstigter Schrei, Hope, das war Hope, warum war es so fürchterlich finster?

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    »Ich sag dir, wie man so einen beschissenen Serienmörder stellt, van Heerden, ich sag’s dir, nicht mit beschissenen Theorien
     und Vorhersagen und Persönlichkeitsprofilen und psychologischen Analysen, van Heerden.« Nagel saß am Steuer, nachdenklich,
     wie eine gespannte Feder zunächst, ein dünner Mann hinter dem Lenkrad, aber als er nach dem Pick’n Pay-Supermarkt in Brackenfell
     auf die N1 einbog, ließ er in seiner tiefen Stimme alles heraus, er wirkte gereizter, voller Wut, der Speichel flog gegen
     die Windschutzscheibe, während er redete, sein Adamsapfel hüpfte erregt auf und ab. »Ich sag’s dir, man macht das mit beschissen
     harter Polizeiarbeit, so macht man das, van Heerden, indem man eins nach dem anderen ausschließt.« Er streckte den Arm aus,
     drehte sich halb nach hinten, der Wagen vollführte einen harten Schlenker, ich wusste nicht, ob ich mich wegducken sollte,
     und er holte die Akte vom Rücksitz und warf sie mir in den Schoß.
    »Da hast du’s, da hast du dein verdammtes Lehrbuch, schau’s dir gut an. Ich habe keinen beschissenen Uni-Abschluss, van Heerden,
     meine Eltern waren so arm, dass ich an so was noch nicht mal zu denken brauchte. Ich musste mir alles selbst erarbeiten, ich
     hatte keine Zeit, um auf einer Universität herumzualbern und kleine Lehrbücher durchzublättern, ich musste arbeiten, du Arschgesicht.
     Ich konnte |524| nicht herumsitzen und meditieren und philosophieren und mir Theorien ausdenken, und genau so fängt man einen beschissenen
     Serienmörder — schau da rein, van Heerden, schlag die verdammte Akte auf und schau dir die forensischen Untersuchungen an,
     die Listen mit den Teppichfasern und Wagentypen, die Fotos mit den Reifenabdrücken, die Listen mit den runderneuerten Reifen,
     die Listen mit den Motorblocknummern der verdammten VW Kombi Camper, schau dir an, wie ich mich da durchgearbeitet habe, eins
     nach dem anderen, während du, van Heerden …«
    Und dann verstummte er kurz, seine Knöchel am Lenkrad traten weiß hervor. Wir fuhren mit 160 Stundenkilometern auf der N1,
     schlängelten uns durch den Verkehr, während er seine Tirade losließ und ich bereits dachte, er wolle uns beide umbringen,
     doch als er plötzlich verstummte, als er am tödlichen Abgrund der direkten Anschuldigung zögerte, wurde mir für kurze Zeit
     klar, wie viel Schmerz ich verursacht hatte.
    Willem Nagel wusste, es war seine Schuld gewesen, dass er Nonnie verloren hatte. Er wusste, dass sein Verhalten sie von ihm
     fortgetrieben, sie verletzlich gemacht hatte. Und das hielt ihn davon ab, mich zu erschießen, mit den Fäusten auf mich loszugehen
     oder mich zur Rede zu stellen. Sein eigenes Schuldeingeständnis.
    Aber er wollte sie mir nicht überlassen.
    Vielleicht hatte er mich von Anfang an gehasst. Vielleicht war das, was ich als freundschaftliches gegenseitiges Aufziehen
     betrachtet hatte, für ihn eine sehr viel ernstere Angelegenheit gewesen. Vielleicht war das Gefühl der Unterlegenheit durch
     seine Herkunft, seine Kindheit in Parow, seine |525| Unfruchtbarkeit, vielleicht war das alles eine zu große Last für ihn, um zu erkennen, dass ich für ihn keine Bedrohung darstellte.
     Vielleicht.
    Er hatte die Indizien der Teppichfasern, Reifenspuren und Motorblocknummern vor mir verborgen gehalten wie ein eifersüchtiges,
     egoistischen Kind, das nicht bereit war, seine Spielsachen herauszurücken. Es war das erste Mal, dass ich davon hörte, und
     mir wurde bewusst, wie viel ihm das alles bedeutet haben musste. Um seine Überlegenheit unter Beweis zu stellen.
    Wenn er Nonnie nicht halten konnte …
    Ich sagte nichts. Ich schlug die Akte nicht auf. Ich starrte nur vor mich hin.
    Erst als wir das Green-Point-Stadion passierten, ergriff er wieder das Wort, im selben Tonfall, als hätte

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