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Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman

Titel: Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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aufrechnen, dann sind sie durchaus bereit, mit tausend Zahlen zu jonglieren,
     sie zu multiplizieren, zu addieren, zu subtrahieren, bis die Bilanz frisiert ist und ihnen das Endergebnis in den Kram passt.
    Machte ich mich dessen ebenfalls schuldig? Ich wusste es nicht. Ich hatte versucht, die unwichtigen Zahlen aus der Gleichung
     herauszulassen und den negativen Beträgen den gleichen Stellenwert zuzuweisen. Aber können wir jemals vertrauenswürdige Buchhalter
     unseres eigenen Lebens sein?
    Ich will es versuchen:
    Ich war fünfzehn Jahre alt, als sie mich eines Abends ins Wohnzimmer rief und mir mitteilte, sie müsse sich mit mir ernsthaft
     unterhalten. Auf dem Beistelltisch hatte sie eine Flasche Whisky und zwei Gläser stehen, in denen sie jeweils einen Schluck
     eingoss.
    »Ich trink das Zeug nicht, Ma.«
    »Die sind beide für mich, Zet. Ich möchte mit dir über Sex reden.«
    |87| »Ma …«
    »Du bist nicht der Einzige, für den das unangenehm ist. Aber es ist nötig.«
    »Aber Ma …«
    »Ich weiß, dass du über Sex Bescheid weißt. Ich habe auch alles von meinen Schulfreundinnen gehört, bevor meine Mutter mit
     mir darüber gesprochen hat.«
    »Ma …«
    »Ich möchte nur, dass du die richtige, dass du auch die andere Seite zu hören bekommst.«
    Und dann kippte sie den ersten Whisky.
    »Die Menschheit ist alt, Zet. Millionen von Jahren. Und was wir sind, das wurde nicht erst gestern geschaffen. Wir wurden
     geformt und geprägt und gestaltet, als wir noch unzivilisiert und in kleinen Gruppen durch die Savannen in Afrika und Europa
     zogen, nach Nahrung suchten und Steinbeile benutzten und Tierhäute als Kleidung trugen. Als noch nicht sicher war, dass wir
     die Spezies sind, die gewinnen würde, war alles auf das Überleben ausgerichtet. Und dazu hatte jeder seine Rolle zu erfüllen.
     Männer wie Frauen. Die Männer gingen auf die Jagd, kämpften und schützten die Gruppe. Und schwängerten so viele Frauen wie
     möglich, damit der Genpool sich vergrößerte — und außerdem hätten sie morgen ja bereits Löwenfutter sein können. Und die Frauen
     hatten ihre Gruppe zusammenzuhalten und waren darauf bedacht, den stärksten, schnellsten, cleversten Mann zu verführen, damit
     sie überleben konnten. Diese Instinkte sind noch immer in uns, Zet. Sie sind in uns, auch wenn wir uns ihrer nicht mehr bewusst
     sind, weil wir uns selbst nicht mehr kennen. Doch dafür kann niemand was, denn |88| das Problem ist: Wir brauchen sie nicht mehr. Wir haben gewonnen. Wir stehen an der Spitze der Nahrungskette, und wir sind
     viel zu viele, sodass es keine Rolle spielen würde, wenn sich die Hälfte von uns nicht mehr fortpflanzt.«
    Sie kippte den zweiten Whisky.
    »Das Problem ist nur, die Situation hat sich geändert, aber unsere Natur nicht. Niemand hat unseren Instinkten gesagt, dass
     wir gewonnen haben. Und irgendwann in nächster Zeit werden deine Hormone die Oberhand gewinnen, und du wirst den Wunsch verspüren,
     deinen Samen zu verbreiten …«
    »Ma …«
    »Nein, Zet, ich weiß, du masturbierst, aber lass dir auch gleich gesagt sein, dass daran nichts Falsches ist …«
    »Ma, ich will nicht …«
    »Zatopek van Heerden, es ist mir genauso unangenehm wie dir, aber du wirst jetzt den Mund halten und mir zuhören. Dein Großvater
     van Heerden hat deinem Vater gesagt, dass er durch das Masturbieren blind würde, und dein Vater hat mir erzählt, er habe jeden
     Morgen im Schulheim ganz langsam die Augen aufgeschlagen, weil er sich solch große Sorgen gemacht hat. Ich will nicht, dass
     du solchen Schwachsinn zu hören bekommst. Zu masturbieren ist normal und gesund und richtet keinen Schaden an, niemand wird
     dadurch schwanger, niemand wird dadurch zu etwas gezwungen. Wenn es dir hilft, dann mach damit weiter. Worüber ich mit dir
     heute Abend zu reden habe, ist der richtige Sex, denn, mein Kind, deine Instinkte wissen nicht, dass wir gewonnen haben. Du
     trägst zwei, drei, zehn Millionen Jahre an Überlebenswillen in dir, der bald an deine Tür klopfen wird, |89| und wenn du ihm die Tür öffnest, will ich nicht, dass dir ein Fremder gegenübersteht.«
    Sie schenkte sich nach.
    »Ma, pass mit dem Zeug auf.«
    Sie hatte genickt. »Du weißt, dass ich das nie trinke, Zet, heute Abend aber ist es anders. Ich habe nur eine Möglichkeit,
     das alles richtig zu machen, und wenn ich die Nerven verliere, fällt mir das sehr schwer. Ich muss dir sagen, dass Sex großartig
     ist. Die Natur hat das so

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