Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman
in meinem Leben. Aus den kurzen Begegnungen |233| der ersten Jahre in Pretoria wurden zweckmäßig längere Beziehungen. Im Rückblick muss ich, nicht ohne dabei ein gewisses Maß
an Scham zu empfinden, zugeben, dass diese Beziehungen alles in allem der Bequemlichkeit entsprungen waren. Ich ließ mich
nicht bewusst auf sie ein, vielmehr bildeten sie einen natürlichen Zeitvertreib, bis sich mir die überwältigende Erfahrung
der Liebe erschließen sollte, bis ich den intensiven, wunderbaren Augenblick genießen konnte, an dem ich einer Frau ins Antlitz
schaute und wusste, sie war die Eine.
Alle Frauen warfen mir vor, ich hätte Angst davor, mich zu binden. (»Verpflichtungen einzugehen« war einer der Lieblingsausdrücke,
den sie, nehme ich an, aus Zeitschriften wie
Cosmopolitan
und
Femina
hatten, aus Artikeln mit Überschriften wie »Zehn Tipps, wie Sie es schaffen, dass Ihre Beziehung hält«.) Und sie hatten Recht
damit. Beziehungen, die sich zu vertiefen schienen, versuchte ich mit schwachen Ausflüchten abzubiegen (wir haben doch keine
Eile, können wir uns nicht erst noch besser kennen lernen?), und die Dauer der jeweiligen Beziehung stand häufig in direktem
Zusammenhang mit dem Grad der Geduld, den die daran beteiligten Frauen mit mir aufbrachten.
Lag ich so falsch? War es, ausgehend von den Regeln des Liebesspiels, so unmoralisch von mir, wenn ich das Zusammensein, den
regelmäßigen Sex, die Verfügbarkeit ausnutzte, ohne Verpflichtungen einzugehen?
Ich bin mir nicht ganz sicher. Ich habe nie gelogen. Ich habe nie die ewige Liebe versprochen, niemals eine tiefer gehende
Zuneigung vorgetäuscht als jene, die ich zu geben bereit war. Denn keine von ihnen war die Eine.
|234| Doch was Frauen noch lieber hören als »Ich liebe dich«, das sind die Worte, die den Weg zur Ehe pflastern.
Ich bin kein Sexist. Ich spreche den Frauen jedes Recht zu, das sie für sich in Anspruch nehmen möchten. Um ganz ehrlich zu
sein, ich gebe häufig und ohne Umschweife zu, dass Frauen vieles besser können als Männer. Vor allem auf dem beruflichen Feld.
Sie verfügen über mehr Mitgefühl, mehr Takt, sie sind nicht mit dem Fluch der testosterongesteuerten Aggression geschlagen,
sie besitzen das natürliche Talent, zwischen Problemen am Arbeitsplatz und den alles vergiftenden, auf Ehrgeiz und (männlichem)
Ego beruhenden Machenschaften unterscheiden zu können. Aber dass sie eindeutig
getrieben
sind, sich einen Gefährten auf Lebenszeit zu suchen und eine Beziehung durch all ihre konventionellen Stadien voranzutreiben,
bis an deren Ende der Gang durch das Mittelschiff zum Traualtar steht, das kann ich aus erster Hand bezeugen.
Mit einer Frau – dies war noch zu der Zeit, bevor ich zum Sergeant befördert worden war –, einem hübschen, anständigen Afrikaander-Mädchen
aus irgendeiner Kleinstadt, Colesberg oder Brandfort oder Colenso, fuhr ich ins Autokino. Und nach der Hälfte des nicht erinnerungswürdigen
Films begannen wir uns zu küssen und testeten die körperlichen Meilensteine, einen nach dem anderen — hielten Händchen, legten
den Arm um die Schulter, küssten uns erst vorsichtig, dann mit geöffneten Lippen, dann hatte ich meine Hand auf ihrer Brust,
knöpfte ihr die Bluse auf, zog ihr den BH aus, liebkoste die harten Brustwarzen, strich mit der Hand nach unten. Und in diesem
Moment brachte sie mich mit festem Griff und einem atemlosen »nein« zum Halt. Ich hörte ihren |235| stoßweisen Atem, spürte ihr galoppierendes Herz — sie war, um das unwürdige, beliebte chauvinistische Wort zu gebrauchen,
spitz.
Doch das verheißene Land unter dem Gummizug ihres Höschens blieb außer Reichweite.
»Warum nicht?«, fragte ich sehnsüchtig.
»Weil wir nicht fest miteinander gehen.«
Verpflichtungen. Das wäre mein Fahrschein ins Paradies gewesen.
Oft dachte ich über die Sexualmoral von Frauen nach, denn ich glaube, ich habe sie niemals verstanden. Was mich aber am meisten,
noch vor allem anderen, faszinierte, waren die Bedingungen, die sie an die Ausübung von Sex knüpften. Der Sozialkontrakt der
Liebe. Ich begriff, dass er als Verteidigungsmechanismus gegen den überwältigenden Drang des Mannes fungierte, seinen Samen
zu säen, wie meine Mutter es ausgedrückt hatte. Aber ich werde niemals Miss Colesbergs Wortwahl vergessen, oder wer immer
es gesagt haben mochte. Nicht: »Ich liebe dich nicht.«
Sondern: »Weil wir nicht fest miteinander gehen.«
Sich zu
Weitere Kostenlose Bücher