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Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman

Titel: Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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verpflichten, das war die Währung, die Maut, die auf der Straße zur Intimität zu entrichten war. Der interessanteste
     Aspekt dieser bedingten Moral aber war die Grenze, die gezogen wurde. Es gab Frauen wie das Mädchen aus Colesberg, das die
     Grenze nur wenige frustrierende Zentimeter oberhalb des Bauchnabels festsetzte. Manche erklärten die Brüste zum Niemandsland,
     wenn nicht die Aussicht auf eine langfristige Beziehung bestand. Andere verschoben die Grenze weiter nach unten und erlaubten,
     dass man den Garten der Lüste berühren, aber nicht seinen Schwanz |236| reinstecken durfte. Man durfte küssen und liebkosen und lecken und den Fingern freien Lauf lassen, aber sollten sich die Portale
     für den Sämann öffnen, musste man seinen Ausweis vorzeigen.
    Sich verpflichten.
    Wendy.
    Darauf sollte ich zu sprechen kommen.
    Bei Wendy dachte ich zumindest, dass sie die Eine sei. Für kurze Zeit.
    Die süße Wendy.
    Sie trat in mein Büro an der Universität von Südafrika, als ich noch die Kartons auspackte, brachte ihren süßen kleinen Körper
     mit, ihren blonden Bubikopf um ihr süßes kleines Gesicht, ein kleines hopsendes Energiebündel, und dann machte sie ihren kleinen
     runden Mund auf und redete die nächsten zwei Jahre ununterbrochen auf mich ein.
    Ich denke, Wendy sah mich an jenem Tag und beschloss, dass ich derjenige war, den sie wollte.
    »Wir sind Nachbarn, ich bin bei der Englischen Literatur, gleich gegenüber vom Gang, Sie müssen der Neue der Polizeiwissenschaften
     sein, mein Afrikaans ist nicht besonders gut, ich komme aus Maritzburg, und ich kann Ihnen sagen, Pretoria ist ein Schock,
     mein Gott, ich hab mich ja noch gar nicht vorgestellt, ich bin Wendy Brice.« Sie streckte mir ihre kleine Hand entgegen, schüttelte
     meine kräftig und sah mich unter ihrem blonden Bubikopf wie ein kleines Mädchen an, eine Geste, die ich in den darauffolgenden
     Monaten und Jahren noch zur Genüge kennen lernen sollte.
    Wendy war ein Organisationstalent. Ständig organisierte sie ihr Leben um. Und sie organisierte das Leben der anderen |237| Menschen, oft ohne dies zu wissen. Sie wusste, was sie wollte, sie war zielstrebig. Wendy war Realistin. Sie war sich ihrer
     akademischen Grenzen bewusst, wusste, dass sie eine Frau in der Männerwelt der Universität und die gläserne Decke einer Honorarprofessorin
     die höchste Sprosse der Karriereleiter war, die sie erreichen konnte. Ihre Ambitionen aber lagen höher. Woanders. Ich möchte
     nicht behaupten, dass sie sich bewusst, kalkuliert sagte, »wenn ich schon nicht Professorin werden kann, dann heirate ich
     eben einen Mann, der mal einer wird«, doch die Grundzüge ihres Lebens hatte sie ausgearbeitet. »Ich will heiraten und Kinder
     bekommen, Zet. Deine Kinder.« Damit beendete sie gewöhnlich, unter ihrem Bubikopf hervorspähend, ihr Plädoyer bei der endlosen
     Reihe von Auseinandersetzungen über meine mangelnde Bereitschaft, Verpflichtungen einzugehen.
    Das »Zet« hatte sie von meiner Mutter gehört, und sie hatte sich darauf gestürzt wie der Adler auf den Hasen.
    Wendy war völlig hin und weg von meiner Mutter, von ihrem exzentrischen Verhalten, ihrem Status als Künstlerin, der Unterstützung,
     die sie mir bei meiner Karriere zuteil werden ließ. »Ich bin ganz Ihrer Meinung, Mrs. V.«
    Meiner Mutter gefiel das
Mrs. V.
nicht. Ihr gefiel auch Wendy nicht, war aber wie üblich zu taktvoll, um dies zu sagen.
    Wie die meisten schönen Frauen beherrschte Wendy die Kunst der Manipulation, und sie konnte der Macht, die ihr ihre Kurven
     verliehen, nicht widerstehen. Sie setzte ihre Kurven und ihren kleinen Schmollmund und ihren Bubikopfblick und ihr Kleines-Mädchen-Getue
     gezielt ein. Aber |238| nie so offensichtlich, dass man sie darauf hätte festnageln können. Eher subtil, wie eine Taschendiebin.
    Trotz meines rückschauenden Zynismus war ich in den ersten Monaten unserer Beziehung in Wendy verliebt. Weil sie so süß und
     die erste Frau war, mit der ich über Gedichte und Bücher diskutieren — von der ich lernen konnte. Und Wendy verschenkte ihre
     englische Literatur mit mehr Enthusiasmus als ihren Körper.
    Unser Sexualleben war seltsam.
    Zunächst war unsere Beziehung geistiger Natur, eine intellektuelle Entdeckung, aber ich muss zugeben, dass ich mich von Anfang
     an zu ihrem kleinen Körper hingezogen fühlte, der Stundenglasfigur ihrer kleinen Brüste und Taille und Hüfte, den süßen kleinen
     Rundungen des Hinterns, ihrer Beine,

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