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Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman

Titel: Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Bloemfontein. Ich habe den afrikaanssprachigen
     Zeitungen geglaubt. Und dem afrikaanssprachigen Fernsehen und Radio. Ich habe nichts hinterfragt, weil ich die Schwarzen so
     gesehen habe, wie sie alle gesehen haben. Als Menschen, die an Zauberei und an
tokoloshe
und die Geister der Ahnen glauben, die im Haus und im Garten arbeiten und den Müll abholen und nach Lifebuoy-Seife riechen.
     Ich begleitete meinen Vater, wenn er unser Hausmädchen zurück in die Township brachte, und sah die verdreckten Straßen und
     die kleinen Häuser ohne Garten, und ich war davon überzeugt, die getrennte Entwicklung sei richtig, weil sie doch so anders
     sind als wir. Warum legen sie keine Gärten an? Wie können Menschen so wenig Stolz besitzen? Homelands. Wenn sie schon so gerne
     andere ermorden, dann sollen sie es doch in Thaba’ Nchu |224| oder Mafikeng oder Umtata tun. Jedes Mal, wenn sie eine Bombe hochgehen ließen oder in einem Restaurant Menschen erschossen,
     lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich war wütend … schütteln Sie ruhig den Kopf, van Heerden, aber jetzt werden Sie mir
     zuhören! Ich war wütend auf die restliche Welt, wenn sie wieder Sanktionen ausriefen oder uns kritisierten, weil ich dachte,
     sie haben keine Ahnung, sie verstehen nichts. Sie kennen nicht
unsere
Schwarzen. Sie denken, unsere wären wie ihre, wie Sidney Poitier oder Eddie Murphy oder Whoopi Goldberg. Unsere sind anders.
     Sie zerstören und machen alles kaputt, sie sind immer wütend und unfreundlich. Unsere unterhalten sich in Sprachen, die keiner
     versteht. Ihre sprechen dasselbe amerikanische Englisch, genau wie sie. Und tragen schöne Kleidung und geben im Film den Othello.
     Und dann kam’92, und ich hatte Angst, van Heerden, denn jetzt würden sie sich alles unter den Nagel reißen und alles ins Chaos
     stürzen, sodass schließlich das ganze Land wie ihre verdreckten Townships aussehen würde. In meiner Angst suchte ich nach
     Gründen, warum dies nicht geschehen dürfte. Das waren keine rationalen Argumente, ich war nicht offen und hatte keinen Sinn
     für Gerechtigkeit. Sondern Angst. Und dann stieß ich auf ein Buch über Mandela, eine alte Biografie, die von einer holländischen
     Autorin verfasst worden war, und als ich es gelesen hatte, fühlte ich mich wie neugeboren. Wissen Sie, wie es sich anfühlt,
     wenn man sich selbst plötzlich ganz anders wahrnimmt, wenn man seine Ansichten, seine Meinung über seine Familie, seine Eltern,
     seine führenden Politiker, seine Biografie, seine Geschichte ändert — und das alles innerhalb von zwei Tagen? Wenn man merkt,
     dass alles, |225| was man geglaubt hat und wovon man überzeugt war, falsch und verdreht ist, dass dem jegliche Einsicht fehlt, dass es vielleicht
     sogar böse ist. Aber auf eines bin ich stolz, van Heerden. Dass ich die Fähigkeit gehabt hatte, das zu tun. Mich für die Wahrheit
     zu öffnen. Zu sehen, nachdem ich so lange blind gewesen war. Und nachdem ich mich daran gewöhnt und die Schuld und die Demütigung
     aufgearbeitet, nachdem ich mich durch meine Wut gekämpft hatte und durch die Wut auf alle Weißen, die an meiner Verführung
     teilgehabt hatten, traf ich eine Entscheidung. Nie mehr wollte ich ein Urteil fällen, das auf Mangel an Kenntnissen, Wissen,
     Einsicht und Verständnis basiert. Ich wollte nach der Wahrheit suchen. Ich wollte Menschen nicht mehr nach ihrer Hautfarbe,
     ihrem Glauben oder ihren Handlungen beurteilen, bevor ich nicht verstand, warum sie so waren und so handelten, wie sie es
     taten. Und wenn Sie glauben sollten, ich würde das jetzt sein lassen, ich würde Ihre infantilen Entschuldigungen annehmen,
     wenn Sie glauben sollten, Sie könnten mich durch Ihr Fluchtverhalten von meinem Kurs abbringen, dann haben Sie sich gründlich
     geschnitten.«
    Sie saß vor ihm, unterstrich jeden Punkt ihrer Ausführungen mit einem energischen Fingerzeig, nur wenige Zentimeter von seiner
     Nase entfernt, und dann musste sie über sich selbst lachen, ein kurzes spöttisches Prusten.
    Langsam atmete sie aus.
    »Reden
Sie mit mir!« Das erste Wort sprach sie fast flehend.
    Er starrte mit leerer Miene an die Wand.
    »Unsere Sicht auf die Welt ist einfach zu verschieden, Hope.«
    |226| »Woher wollen Sie das wissen? Sie kennen mich doch überhaupt nicht.«
    »Ich weiß genug, Hope. Ich kenne Menschen Ihres Schlags zur Genüge. Sie glauben, das Leben sei gerecht. Sie glauben, wenn
     man sich nur genügend anstrengt, ein gutes Leben zu führen,

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