Todes Kuss
modernen Künstlern und sammelte antike Kunstwerke.“
„Hätten Sie sich anders verhalten, wäre Ihnen das schon vor der Eheschließung bekannt gewesen?“
Darüber musste ich erst nachdenken. Doch schließlich schüttelte ich den Kopf. „Ich fürchte, ich habe nur geheiratet, um meiner Mutter zu entkommen. Die alten Griechen haben mich damals ebenso wenig interessiert wie die Impressionisten. Jetzt allerdings brenne ich darauf, mich mit all dem zu beschäftigen, was für meinen Gemahl wichtig war. Als Mr Hargreaves mir erzählte, wie Philip sich in mich verliebt hat, regten sich heftige Gefühle in mir.“
„Liebste Kallista, machen Sie nicht den Fehler, einem Toten Ihr Herz zu schenken. Sie würden sich damit nur selbst ins Unglück stürzen.“
„Mir geht es allein darum, mehr über Philip herauszufinden.“ Ich griff nach meinem inzwischen wieder gefüllten Champagnerglas. „Es gibt so viele Rätsel, die ich lösen möchte. Monsieur Renoir beispielsweise erwähnte, dass mein Mann mehrere impressionistische Gemälde gekauft hat. Doch diese Bilder befinden sich nicht in Ashton House in London. Wo also sind sie?“
„Ich an Ihrer Stelle würde nicht zu viel darüber nachgrübeln. Sie sind in Paris! Genießen Sie Ihren Aufenthalt in dieser wunderbaren Stadt!“
Natürlich berichtete ich, was ich bereits unternommen hatte. Auch meinen Besuch in Worths Modeatelier erwähnte ich. Woraufhin Madame du Lac sich erhob, um mit einer winzigen Schere ein Stückchen Stoff von einem der Vorhänge abzuschneiden. „Lassen Sie sich von Worth eine Robe in diesem Farbton schneidern. Sie werden bezaubernd darin aussehen.“
„Aber ich bin noch in Trauer“, gab ich zu bedenken.
„Es gibt so viele unsinnige Vorschriften“, meinte sie kopfschüttelnd. „Und wir Frauen sollen Sie alle einhalten. Männer würden sich niemals dazu bereit erklären.“
„Ich habe immer geglaubt, Trauerkleidung für Männer gäbe es nicht, weil sie sich sowieso langweilig und düster anziehen.“
„Vielleicht …“ Cécile du Lac lachte. „Auf jeden Fall bestehe ich darauf, dass Sie bei Worth eine blaue Robe bestellen. Außerdem möchte ich Sie bitten, mich Cécile zu nennen.“
Diesem Wunsch kam ich gern nach.
11. April 1887, Berkeley Square, London
Habe einen scheußlichen Ball besucht und ganz schnell wieder verlassen. Hargreaves meinte, wir sollten den Abend im Reform Club verbringen. Dort geht es mir eigentlich viel zu politisch zu. Aber das Essen ist gut, also gab ich nach.
Meine Schwester Anne hatte darauf bestanden, mich ihrer Freundin Miss Huxley vorzustellen. Die junge Dame scheint darauf zu brennen, Lady Ashton zu werden. Schrecklich! Womöglich besitzt sie ja viele gute Eigenschaften. Mir allerdings sind sie bisher verborgen geblieben.
5. KAPITEL
Durch die Bekanntschaft mit Cécile du Lac wurde mein Leben bedeutend interessanter. Sie vergaß mich nie, wenn sie zu ihrem literarischen Salon einlud, und fragte mich häufig, ob ich mit ihr zu Abend speisen wolle. Da ich nach wie vor nicht an Bällen teilnahm, empfand ich die Gesellschaften in ihrem Haus als angenehme Abwechselung zu meinem ansonsten recht gleichförmig verlaufenden Leben.
Natürlich schrieb ich regelmäßig an meine Eltern. Eines Tages erreichte mich ein Brief meiner Mutter, in dem sie mir mitteilte, sie habe erfahren, dass Madame du Lac sehr wahrscheinlich einer alten Adelsfamilie entstammte, die während der Französischen Revolution nur knapp der Guillotine entkommen war. Unter diesen Umständen drängte Mama mich natürlich, die Freundschaft mit Cécile zu vertiefen. Ich solle über eventuelle exzentrische Verhaltensweisen der Dame hinwegsehen und mich bemühen, mit ihrer Hilfe neue Kontakte zu schließen.
Wenn meine Mutter geahnt hätte, welche Kontakte Cécile pflegte, wäre sie allerdings entsetzt gewesen …
Schließlich kehrten Ivy und ihr Mann nach Paris zurück. Da Robert eine Menge Korrespondenz zu erledigen hatte, nutzten Ivy und ich die Gelegenheit zu einem ausgiebigen Spaziergang im Schlosspark. Wir schlugen die Allee ein, die vom Eingang an der Rue de Rivoli aus in den Jardin des Tuileries führte. Von hier aus konnte man in der Ferne den Triumphbogen am Place de l’Étoile sehen und natürlich auch den Obelisken, der aus Ägypten nach Paris zum Place de la Concorde gebracht worden war.
Nachdem Ivy eine Zeit lang von ihrer Reise in die Schweiz erzählt hatte, wollte sie wissen, was ich während der letzten Tage unternommen
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