Todes Kuss
Befürchtung, dass eine solche Frau mich noch während der Hochzeitsreise zu Tode langweilen würde.“
„Dann sind Sie also ein überzeugter Junggeselle?“
Er nickte.
„Welch eine Enttäuschung für die hoffnungsvollen Mütter unverheirateter Töchter.“
„Die meisten jungen Damen wünschen sich einen Gemahl, der sie zu Bällen, Frühstücksgesellschaften, Soireen oder ins Theater begleitet. Ich aber bin beruflich viel unterwegs.“
„Viele wären gewiss damit zufrieden, auf Ihrem wunderschönen Landsitz zu leben und sich um Ihre Kinder zu kümmern.“
„Mein wunderschöner Landsitz?“ Er lachte. „Wie kommen Sie nur darauf? Und Kinder? Zum Glück brauche ich keinen Erben.“
„Ach ja, das Glück des einfachen Mannes: kein vererbbarer Titel, kein unveräußerlicher Familienbesitz und keine Notwendigkeit, Nachkommen in die Welt zu setzen.“
„Wie wahr! Ich habe bedeutend mehr Freiheiten als ein Earl oder Duke.“
„Ich glaube, Philip hat nie erwähnt, was Sie beruflich tun, Colin. Warum sind Sie so viel unterwegs?“
„Ach, es sind politische Aufgaben. Nichts Wichtiges. Manchmal ist es sogar ziemlich langweilig.“
„Politische Aufgaben? Ich verstehe nicht … Wieso führen die Sie so oft ins Ausland?“
„Sie sprudeln heute ja nur so über vor Wissensdurst, Emily! Aber ich kann und mag Ihnen nicht alle Fragen beantworten. Deshalb überreiche ich Ihnen jetzt noch ein zweites Geschenk.“
„Sie haben noch etwas für mich? Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Bestimmt neckte er mich wieder!
„Nun, ich gestehe, dass es etwas schwierig wäre, das Geschenk tatsächlich zu überreichen .“
„Was, um Himmels willen, ist es denn?“
„Eine Kiste Port. Und zwar von dem 87er, jenem Jahrgang, der für immer mit der Erinnerung an das Goldene Thronjubiläum der Königin verbunden sein wird. Ich denke, er könnte Sie dazu anregen, auch in Zukunft die eine oder andere gesellschaftliche Regel zu brechen.“
„O Colin, wie großzügig! Vielen Dank. Auch wenn Sie es in erster Linie getan haben, weil Sie es als Ihre moralische Pflicht betrachten. Sie müssen bald einmal zum Dinner kommen und eine Flasche mit mir leeren.“
„Liebe Emily, diesen Port müssen Sie noch mindestens dreißig Jahre lang lagern.“
„Also gut. Dann werde ich mir eine Notiz machen, damit ich nicht vergesse, Sie in dreißig Jahren zum Dinner einzuladen.“
„Ich freue mich schon jetzt darauf.“ Er erhob sich. „Viel Spaß beim Griechischlernen!“
„Danke.“ Auch ich stand auf.
In diesem Moment zog er einen Lederhandschuh aus der Tasche. „Ich habe zu danken. Diesen Handschuh muss ich vor einiger Zeit bei Ihnen vergessen haben. Ich bin froh, dass Davis ihn nicht fortgeworfen hat.“
25. September 1887, Delphi, Griechenland
Habe hier ein paar unvergleichlich schöne antike Stücke gefunden. Unbegreiflich, dass bisher niemand auf die Idee gekommen ist, in Delphi systematisch Ausgrabungsarbeiten durchzuführen! Wünschte fast, ich könnte selbst hierbleiben und etwas tun. Habe aber Lord Bromley zugesagt, vor der Hochzeit mit Kallista – die gar nicht bald genug stattfinden kann – noch ein paar Tage auf seinem Landsitz zu verbringen. Hoffe, Lady Bromley wird mir endlich gestatten, gelegentlich mit meiner bezaubernden Braut allein zu sein.
Reise morgen nach Athen weiter, um mir Lysander Vardakas’ Sammlung antiker Kunstschätze anzusehen. Vermute, er übertreibt, was deren Wert angeht, bin aber trotzdem neugierig.
20. KAPITEL
Mein Treffen mit Aldwin Attewater bescherte mir viele neue Erkenntnisse. Wir trafen uns vor dem Museum, um vorab einiges zu besprechen. Ich hatte eine Liste der Objekte erstellt, die ich mir mit ihm anschauen wollte. Wie sich herausstellte, war er mit allen Stücken vertraut. Besonders in den Abteilungen, in denen griechische und römische Kunst präsentiert wurden, schien er sich sehr gut auszukennen. Ich freute mich zu hören, welch große Achtung er den antiken Künstlern entgegenbrachte, musste jedoch schmunzeln, als deutlich wurde, dass er sich für ihresgleichen hielt.
„Sie haben mich in Paris sehr mit Ihrer Äußerung über die Schönheit guter Nachbildungen erstaunt, Lady Ashton“, meinte Attewater, als wir das beeindruckende Museumsgebäude betraten. „Ihr Gemahl vertrat nämlich eine gänzlich andere Meinung.“
„Erwähnten Sie nicht, dass Sie ihn kaum gekannt haben?“
„Das stimmt, wir sind uns nur selten begegnet. Er interessierte sich nicht für meine Arbeit,
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