Todes Kuss
Afrika“, begann er. „Vor etwa einem Jahr brachte ein Eingeborener einen Engländer zu uns, der sehr krank war. Er war wohl eine Zeit lang von einem einheimischen Medizinmann versorgt worden.“
Mir wurde schwindelig, und ich ließ mich auf einen Stuhl sinken.
„Dem Mann ging es sehr schlecht, und wochenlang war er nicht in der Lage, uns etwas über sich und sein Schicksal mitzuteilen. Sein Zustand besserte sich nur langsam. Wie sich herausstellte, hatte sein Gedächtnis unter dem hohen Fieber gelitten. Es dauerte lange, bis er uns seinen Namen nennen konnte.“
„Philip Ashton“, hauchte ich.
Der Missionar nickte. „Er trug das bei sich.“ Damit reichte er mir eine Fotografie.
Ich starrte mein eigenes Gesicht an. Das Bild war an unserem Hochzeitstag aufgenommen worden. Wie ich wusste, hatte Philip es bei sich gehabt, als er England verließ, um nach Afrika zu reisen. Als er in Paris Station machte, hatte er es Renoir gezeigt, damit dieser das „Porträt von Kallista“ danach malen konnte. Da es sich nun in Prescotts Händen befand, musste dieser es von Philip erhalten haben. Mein Herz schlug wie wild, und ich brachte kein Wort über die Lippen.
So blieb es Ivy überlassen, nach Davis zu läuten. Der Butler warf nur einen kurzen Blick auf mich und füllte sogleich drei Gläser mit Brandy.
Nachdem ich einen Schluck getrunken hatte, sagte ich: „Mein Gemahl lebt also wirklich.“
„Er ist noch sehr schwach, aber das Schlimmste hat er überstanden“, bestätigte der Missionar. „Er bat mich, Ihnen das Foto zu überbringen, damit Sie sich keine Sorgen mehr um ihn machen. Sobald sein Gesundheitszustand es zulässt, wird er nach England zurückkehren.“
„Hat mein Mann Ihnen noch etwas außer diesem Foto gegeben?“
„Ja, einen Brief, den ich in Kairo aufgegeben habe. Er war, soweit ich mich erinnere, an einen gewissen Palmer adressiert.“
„O mein Gott … Ich weiß kaum, wie ich Ihnen danken kann, Mr Prescott. Darf ich Sie dennoch um einen Gefallen bitten?“
„Selbstverständlich, Mylady.“
„Bitte, suchen Sie Mr Palmer auf und beschreiben Sie ihm den Weg zu Ihrer Missionsstation.“
Er verbeugte sich. „Es wird mir eine Ehre sein.“
Ich dankte ihm noch einmal, brachte rasch ein paar erklärende Zeilen an Andrew zu Papier und verabschiedete Mr Prescott. Dann fiel ich Ivy um den Hals. „Vielleicht“, rief ich, „sind Philip und ich schon Weihnachten wieder daheim!“
31. Dezember 1887, Ashton Hall, Derbyshire
Meine Schwester Anne war nicht begeistert über das Geschenk, dass ich dem kleinen Alexander gemacht habe. Sie behauptet, ihr Sohn sei noch viel zu jung, um den Wert einer griechischen Statue von Alexander dem Großen ermessen zu können. Aber ich möchte ein Onkel sein, der den Knaben zu Großem inspiriert. Nächstes Jahr werde ich ihm eine Ausgabe der Ilias schenken, auch wenn er sie erst einmal nicht lesen, sondern nur unter sein Kopfkissen legen kann.
Habe Emory genau erklärt, was er mit den Kunstwerken tun soll, die in nächster Zeit hier eintreffen werden. Würde mich gern selbst darum kümmern, kann aber meine Afrikareise nicht verschieben.
Kallista hat mir zu Weihnachten ein Fernglas geschenkt, das ich benutzen soll, um wilde Tiere zu beobachten. Sie lachte silberhell, als ich sie für diesen Einfall lobte. Ich liebe ihr Lachen.
25. KAPITEL
Dann war der Tag der Abreise da.
Es regnete in Strömen, doch das konnte meinen Optimismus nicht dämpfen. Mein Herz war von eben jener Vorfreude erfüllt, die vor meiner Hochzeit bedauerlicherweise gefehlt hatte.
Immer wieder stellte ich mir das Wiedersehen mit Philip vor. Mit geschlossenen Lidern würde er auf einem primitiven Lager liegen, noch immer vom Fieber geschwächt, mit schweißfeuchtem Haar und blasser Haut. Ich würde an seine Seite eilen und ihm die Hand auf die Stirn legen. Woraufhin er die Augen öffnen, mich erkennen und vor Freude die Kraft finden würde, sich aufzurichten und mich in die Arme zu schließen. Es folgte ein leidenschaftlicher Kuss. Schließlich würden wir atemlos voneinander ablassen. Ich würde Philip bitten, an seine Gesundheit zu denken. Woraufhin er sich wohlig aufseufzend zurücksinken lassen und in einen erholsamen Schlaf fallen würde.
Natürlich endeten meine romantischen Träume nicht an dieser Stelle. Doch mir war klar, dass alles Weitere sich besser in England oder zumindest im Shepherd Hotel in Kairo verwirklichen ließ.
Meg unterbrach meinen Tagtraum. „Die Kutsche ist
Weitere Kostenlose Bücher