Todes Kuss
ich ja.
Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Ich kaufte mir ein paar praktische Kleider und zwei Paar feste Schuhe, die, wie ich hoffte, für den Aufenthalt in der afrikanischen Wildnis geeignet waren.
Arthur hatte mich informiert, dass wir in Paris Station machen würden, weil sein Bruder dort etwas Dringendes zu erledigen hatte. Danach sollte es weiter nach Kairo gehen, wo wir einheimische Führer und Träger einstellen wollten. Gemeinsam mit ihnen würden wir die Eisenbahn nehmen, die nach Süden fuhr. An der Endstation würden wir uns Pferde besorgen müssen. Wir hofften, Britisch-Ostafrika auf dieser Weise recht schnell zu erreichen.
Andrew und Arthur hatten mich mehrmals auf die Gefahren hingewiesen, mit denen man selbst unter den günstigsten Umständen auf einer solchen Expedition rechnen musste. Wenn es politische Unruhen gab, vervielfachten sich die Probleme natürlich. Das alles jedoch konnte mich nicht entmutigen. Ich brannte darauf, Philip zu retten.
Margaret war beinahe ebenso aufgeregt wie ich. Sie machte keinen Hehl aus ihrer Unzufriedenheit mit dem Schicksal, das sie zwang, wegen der Hochzeit ihrer Schwester bald nach New York zurückzukehren. Mit Sicherheit war sie ein wenig neidisch, weil auf mich ein großes Abenteuer wartete, während sie ihren familiären und gesellschaftlichen Pflichten nicht entfliehen konnte.
Sie gab mir mehr als einmal zu verstehen, sie würde Philip begleiten, sollte er je wieder auf Großwildjagd gehen. Ich war überzeugt, eine solche Gelegenheit würde sich nie mehr ergeben. Denn gewiss würde Philip es nach seiner schweren Krankheit vorziehen, in Europa zu bleiben. Dennoch wies ich meine Freundin darauf hin, dass sie sich unmöglich als einzige Frau einer Gruppe von Männern anschließen könne. Natürlich lachte sie nur darüber. Doch ich war mir ziemlich sicher, dass selbst eine so unkonventionelle Frau wie sie, sich über gewisse Regeln nicht hinwegsetzen würde.
Schließlich musste ich ihr versprechen, alles, was ich erlebte, aufzuschreiben, damit ich ihr später sämtliche Einzelheiten berichten konnte.
Auch Ivy war nervös. Allerdings aus anderen Gründen. Sie hatte Angst um mich und flehte mich immer wieder an, in Kairo zu warten, während Andrew und Arthur sich auf die Suche nach Philip machten. Selbstverständlich konnte ich ihr ein solches Versprechen nicht geben. Zum Glück wurde sie jedoch nie wankend in ihrer Entschlossenheit, mich zu unterstützen. Sie erklärte sich bereit, Robert mit keinem Wort in meine Pläne einzuweihen, und schrieb sogar selbst an meine Mutter, um ihr mitzuteilen, dass sie mich auf den Landsitz der Brandons eingeladen habe.
Meine Mutter antwortete postwendend. Ivy sollte mich unbedingt überreden, London zu verlassen. Der Aufenthalt auf dem Lande würde mir guttun, zumal die Jagdsaison bereits begonnen habe. Da blieb niemand, der Rang und Namen habe, in der Stadt.
Drei Tage vor meiner geplanten Abreise zog ich eines der neuen praktischen Kleider sowie ein Paar feste Schuhe an und begab mich in den Hyde Park. Ich wanderte lange über die stillen Wege abseits der Serpentine, dem Zentrum der Anlage mit einem angelegten See. Obwohl die Sonne schien, war es kühl. Doch ich legte ein so flottes Tempo vor, dass ich nicht einen Moment lang fror. Erstaunt und sehr zufrieden stellte ich fest, wie bequem meine neue Kleidung war. Allein die Tatsache, dass ich kein Korsett trug, gab mir ein Gefühl von Freiheit und Kraft. Ich konnte tief Luft holen und mich ungehindert nach vorn oder zur Seite beugen. Auch die Schuhe waren eine große Erleichterung, da sie meinen Füßen Halt boten und ich nicht zu befürchten brauchte, umzuknicken und mir den Knöchel zu verstauchen.
Irgendwann stand ich vor der großen Bronzestatue des Achill. Langsam umrundete ich sie und dachte dabei an Philip und dessen Ansichten über den griechischen Helden. Ich sehnte mich danach, ihn wiederzusehen. Aber ich war auch ein bisschen beunruhigt. Seine Rückkehr würde mein Leben vollkommen verändern. Fast zwei Jahre lang hatte ich meine Unabhängigkeit genossen. Doch bald würde ich als gehorsame Ehefrau wieder tun müssen, was Philip von mir verlangte. Vielleicht verbot er mir, allein im Park spazieren zu gehen. Oder er würde nicht wollen, dass ich in der Bibliothek meine Lektüre selbst auswählte. Möglicherweise würde er es nicht einmal gutheißen, dass ich Homer las. Und zweifellos vertraten wir unterschiedliche Meinungen in Bezug auf die Vorzüge und
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