Todes Kuss
verhindern, dass Colin etwas für ihn tat, was diesem gefährlich werden konnte? Hatte das Ganze etwas mit den Kunstfälschungen zu tun?
Ich wusste, dass Philip irgendwie in den Besitz gestohlener Antiquitäten gelangt war, und überlegte nun, wie Hargreaves ins Bild passte. Wenn Colin derjenige war, der im direkten Kontakt zu den Fälschern und Dieben stand, dann hatte Philip ihm vielleicht nach unserer Hochzeit erklärt, dass er kein Interesse mehr an Diebesgut hatte. Er könnte seinen Freund weiterhin aufgefordert haben, das ungesetzliche Tun ganz einzustellen. Wenn Colin damit nicht einverstanden war, könnte das zu dem Streit während der Großwildjagd geführt haben. Aber wann hätte Hargreaves dann für Philip gekämpft wie einst Patroklos für Achill?
Auf jeden Fall blieben viele Fragen offen. Zum Glück würde ich Philip bald wiedersehen. Dann würde ich ihn auffordern, mir die ganze Wahrheit zu sagen. Aber konnte ich auf seine Ehrlichkeit vertrauen? Oder würde er versuchen, Colin zu schützen? Vielleicht wäre es klug, mich Andrews Unterstützung zu versichern. Sollte ich also mit ihm über meinen Verdacht sprechen?
In diesem Moment schlug Andrew die Augen auf und lächelte mich an. Im gleichen Moment beschloss ich, ihn nicht mit meinen Sorgen zu belasten. Ich hatte ihm wahrhaftig schon genug Schmerz und Kummer zugefügt.
Der Schaffner erschien und wies uns darauf hin, dass wir bereits die Stadtgrenze von Paris passiert hatten. Tatsächlich wurde der Zug jetzt langsamer. Andrew weckte seinen Bruder, und ich fasste nach Megs Schulter und schüttelte sie sanft.
Auf dem Bahnsteig wartete Monsieur Beaulieu auf uns. Er wollte uns persönlich ins Meurice begleiten. Wie er mir versicherte, hatte er mir die beste Suite gegeben und nicht versäumt, das Türschloss noch einmal zu kontrollieren. Ich bedankte mich und begab mich nach einem leichten Abendessen früh zu Bett.
Wir wollten nicht lange in Paris bleiben, doch ich war entschlossen, den kurzen Aufenthalt zu genießen. Die Palmers würden rasch ihre geschäftlichen Angelegenheiten erledigen. Dann wollten wir weiterreisen. Das hatte ich auch Cécile mitgeteilt, die mir daraufhin früh am nächsten Vormittag ihre Kutsche schickte.
Ich traf meine Freundin noch im Negligé an. Sie saß im Bett, einem wundervoll gearbeiteten schweren Möbelstück, das in dem schönsten Schlafgemach stand, das ich je gesehen hatte. Die Wände waren mit weißem Holz vertäfelt und teilweise vergoldet. Die gesamte Einrichtung sah aus, als habe Königin Marie Antoinette sie persönlich ausgesucht. Der Teppich war unsagbar weich.
„Nein, Madame“, hörte ich Odette sagen, als der Butler mir die Schlafzimmertür öffnete, „dieses Rosa macht sie blass. Sie sollten eine kräftigere Farbe wählen.“
„Ich beabsichtige nicht, auf Männerfang zu gehen“, konterte Cécile. „Hilf mir in das rosafarbene Kleid. Wenn es mir nicht stünde, hätte Worth es mir nicht empfohlen.“ Dann bemerkte sie mich und rief: „Kallista, ich freue mich so, dass Sie da sind!“
Wie begrüßten uns mit einer Umarmung.
„Also gut, Odette“, erklärte meine Freundin schließlich, „bring mir ein anderes Gewand. Das rosafarbene passt nicht zu diesem hässlichen Mauve, das Kallista trägt.“
„Sobald ich mit Sicherheit weiß, dass Philip lebt, werde ich keines dieser scheußlichen Trauerkleider je wieder anfassen“, versicherte ich.
„Ach, chérie , Sie denken viel zu viel an diesen Mann! Ich bin gar nicht sicher, dass die bevorstehende Wiedervereinigung ein so glückliches Ereignis ist.“
„Aber Cécile“, meinte ich in vorwurfsvollem Ton.
Sie schüttelte lachend den Kopf und befahl Odette, ihr endlich beim Ankleiden zu helfen.
Ich berichtete ihr unterdessen die letzten Neuigkeiten, was sie allerdings nur bewog, mich vor den Strapazen der Reise zu warnen. Dann wechselte sie abrupt das Thema. „Kommen Sie, wir wollen meine Miniaturen ansehen.“
Ich kannte den langen Flur bereits, in dem Cécile kleine Nachbildungen der Zimmer aus dem Schloss Versailles aufbewahrte. Sie hatte bereits als Kind begonnen, diese ungewöhnlichen Puppenstuben zu sammeln. Den ersten Miniaturraum hatte sie als Geschenk von ihrem Vater erhalten.
Das war übrigens die einzige Information, die sie mir je über ihren Vater gegeben hatte. Überhaupt sprach sie so gut wie nie über ihre Familie. Hin und wieder fragte ich mich, ob meine Mutter recht hatte mit ihrer Vermutung, Cécile sei eng mit dem
Weitere Kostenlose Bücher