Todes Kuss
empfand, wenn ich ihn wiedersah. Schließlich waren wir zwei Jahre lang getrennt gewesen. Ich zweifelte nicht im Geringsten daran, dass wir beide vor Freude außer uns sein würden. Doch wie würde unsere Beziehung sich weiterentwickeln? Je näher der Tag unserer Wiedervereinigung rückte, desto mehr Gedanken machte ich mir um die Zukunft.
Da war zum einen Philips Jagdleidenschaft, die ich nie geteilt hatte. Auch all das, was mit den Kunstfälschungen zusammenhing, belastete mich. Zudem wusste ich sehr wohl, dass mein Mann die charakterliche Entwicklung, die ich durchgemacht hatte, vielleicht nicht gutheißen würde. Damals, als wir heirateten, war ich ein junges unerfahrenes Mädchen gewesen, das sich hauptsächlich für Romane, Klatsch und Mode interessierte. Diese junge Dame hatte Philip geliebt, daran konnte kein Zweifel bestehen. Doch die Vorstellung, von mir getrennt zu sein, hatte ihn nie belastet. Schließlich hatte er mich direkt im Anschluss an unsere Hochzeitsreise verlassen, um auf Großwildjagd zu gehen.
Aline sah mich mitfühlend an. „Machen Sie sich keine unnötigen Sorgen“, sagte sie freundlich. „Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sich in der Liebe oft alles ganz unerwartet zum Besten wendet. Wenn man glaubt, es gäbe keine Hoffnung mehr, kommt plötzlich das große Glück.“
Renoir legte ihr den Arm um die Schulter. „Ich bewundere die Zuversicht meiner Frau. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass man immer wieder Menschen mit gebrochenem Herzen begegnet.“
„Auf jeden Fall sollte man, wenn es um die Liebe geht, voller Optimismus sein“, verkündete Cécile. „Und das ist genau das, was unsere bezaubernde Kallista tut – auch wenn ich nicht unbedingt akzeptiere, wem sie ihre Zuneigung schenkt.“
„Aber Cécile …“, begann ich.
Doch ich wurde von Renoir unterbrochen. „Meine Liebe, ich habe schon seit einiger Zeit vor, Ihnen etwas zurückzugeben.“ Er erhob sich, trat an einen Tisch und öffnete die einzige Schublade. Offenbar suchte er etwas. Nach einer Weile schaute er verwirrt auf. „Ich bin ganz sicher, dass ich es hier aufgehoben habe.“
„Worum geht es denn?“, erkundigte ich mich.
Er ging zu einer Truhe, die in einer Ecke des Raumes stand, hob den Deckel und begann darin herumzuwühlen. „Hier ist es auch nicht. Wo, um Himmels willen, könnte ich es denn sonst hingelegt haben?“ Als Nächstes nahm er eine große Tasche zur Hand. Dann blätterte er einen Stapel mit Skizzen durch. „Ich habe es kürzlich doch noch gesehen. Ja, ich habe es sogar Monsieur Palmer gezeigt, als er vor drei Wochen hier war.“
„Wovon sprechen Sie, Monsieur Renoir?“ Mein Herz schlug plötzlich schneller, und eine Art Vorahnung erfüllte mich. „Ich wusste gar nicht, dass einer der Palmer-Brüder vor kurzem in Paris war. Und was suchen Sie?“
„Diese hübsche Fotografie, die Ihr Gemahl mir gegeben hat, ehe er nach Afrika weiterreiste. Sie hat mir als Vorlage für das Porträt von Kallista gedient. Lord Ashton sagte, die Aufnahme sei an Ihrem Hochzeitstag gemacht worden. Monsieur Andrew Palmer – er war es, der mich besucht hat – war ganz begeistert von dem Bild. Er wollte sogar wissen, ob ich den Namen des Fotografen …“
4. Februar 1888, Ostafrika
Die Jagd hat mich gefangen genommen. Alles scheint zu gelingen, nur einen Elefanten konnte ich bisher nicht erlegen. Werde wohl im Herbst wiederkommen, um es erneut zu versuchen.
Bin heute stundenlang der Fährte einer Kudu-Antilope gefolgt. Ein riesiges Tier. Als ich mich anschlich, stand es reglos. Vorsichtig hob ich das Gewehr, feuerte und traf. Ein perfekter Schuss! Und eine wundervolle Beute! Kimathi sagte, noch nie habe er ein Kudu mit größeren Hörnern gesehen. Faszinierend, dass eine Spinne zwischen ihnen ihr Netz gewebt hatte! Die Fäden glitzerten im Sonnenlicht, und Hargreaves meinte im Scherz, ich hätte den König der Kudus erlegt, denn das Tier trüge ja eine Krone.
Abends haben unsere Führer und Träger vom Stamm der Massai für uns gekocht. Ziehe zwar unser englisches Essen vor, doch es war ein Erlebnis, wie ein hiesiger Stammesfürst zu speisen. Sogar unser Lager kam mir irgendwie verändert vor. Musste an das griechische Heer denken, wie es vor Troja lagerte. Ob Achill, Agamemnon und die griechischen Fürsten auch so gut versorgt wurden wie wir?
27. KAPITEL
Ich starrte Renoir an. Er hatte Palmer die Aufnahme gezeigt?
Einen erstickten Laut ausstoßend, stürzte ich aus dem Raum, durch den Flur zur
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