Todes Kuss
ihre Bediensteten beauftragt, einen ordentlichen Vorrat dazulassen.
Wir – Cécile, Renoir, seine Frau Aline und ich – nahmen auf den weichen Decken Platz und genossen all die Köstlichkeiten, die der Koch zubereitet hatte: Gänseleberpastete, Lachs, Hähnchen, verschiedene Gemüsesorten, knuspriges Brot, Käse, Obst und süßes Gebäck. Wir waren nach dem Mahl so satt und zufrieden, dass wir uns eine Zeit lang kaum rührten.
„Es ist schön, Ihre neuen Arbeiten zu sehen, Monsieur Renoir“, sagte ich später, nachdem ich mich in seinem Atelier umgeschaut hatte. Vor einer Staffelei blieb ich stehen, um das Gemälde einer Frau eingehend zu betrachten. „Ihre Werke erinnern mich an Mozarts Musik. Sie vermitteln dem Betrachter ein beschwingtes Gefühl.“
„Danke, Kallista.“ Er bedachte mich mit einem strahlenden Lächeln. „Jede Kunst braucht ihre Muse, nicht wahr? Ich bin sehr froh, dass mir eine so wundervolle Frau Modell steht.“ Er wandte sich Aline zu, die sich zu ihm hinüberbeugte und ihm einen Kuss auf den Mund gab.
„Wie geht es Monet und den anderen?“, erkundigte ich mich.
„Gut! Werden Sie sich lange genug in Frankreich aufhalten, um nach Giverny zu fahren und meinem Freund Monet einen Besuch abzustatten?“
„Leider nein.“
„Kallista macht hier nur kurz Station. Sie ist auf dem Weg nach Afrika“, erklärte Cécile.
„ Mon dieu! “ Aline verdrehte die Augen. „Was wollen Sie dort?“
„Ich will mir die Sehenswürdigkeiten in Ägypten anschauen“, antwortete ich und warf Cécile einen warnenden Blick zu. Es war mir gar nicht recht, dass sie mein Geheimnis beinahe verraten hätte. „Ich träume schon lange davon, einmal zu den Pyramiden zu reisen. Und es heißt, der Herbst sei die beste Jahreszeit dafür.“
Aline zuckte mit den Schultern. „Das mag wohl sein. Im Sommer soll man dort ja vor Hitze umkommen. Eine trostlose Wüste, nach allem, was man hört. Da bleibe ich lieber hier.“
„Also ich“, sagte Renoir, „würde Ägypten gern kennenlernen. Und sei es nur, um den Sonnenuntergang über der Wüste zu sehen. Die Farben müssen beeindruckend sein.“
„Mir reichen die Farben von Paris“, lachte Aline. „Frankreich ist bestimmt hundertmal besser als Ägypten.“
„Daran kann kein Zweifel bestehen“, stimmte ihr Mann zu.
Woraufhin Aline begann, zunächst Renoirs Haar und dann seine Wangen zu streicheln. Ich wandte den Blick ab, um das Paar nicht zu stören.
„Sehen Sie, Kallista“, stellte Cécile fest, die meine Skrupel offenbar nicht teilte, „so kann es in einer glücklichen Ehe zugehen. Werden Sie sich mit Philip auch so gut verstehen?“
Zum Glück waren Renoir und Aline so intensiv miteinander beschäftigt, dass sie Céciles Worten keine Beachtung schenkten.
„Ich möchte jetzt nicht darüber sprechen“, erklärte ich, „und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das Thema nicht immer wieder anschnitten.“ Natürlich war ich mir vollkommen sicher, dass Philip absolut gegen eine öffentliche Zurschaustellung unserer Zuneigung gewesen wäre. Er hatte während unserer Verlobungszeit kein einziges Mal versucht, sich irgendwelche Freiheiten herauszunehmen. Und auch als Ehemann hatte er sich nie ungehörig benommen. Wir würden nur in der Abgeschiedenheit unseres Schlafzimmers Zärtlichkeiten austauschen, dort allerdings mit aller Leidenschaft …
„Sie sollten darüber nachdenken, ehe es zu spät ist, chérie “, ermahnte Cécile mich und stieß einen tiefen Seufzer aus.
„Teure Cécile, Sie kommen mir heute irgendwie melancholisch vor“, sagte Renoir in diesem Moment. „Sie leiden doch nicht etwa unter Liebeskummer?“
„O nein!“ Sie begann zu lachen. „Ich mache mir nur etwas Sorgen um Kallista. Sie könnte womöglich in eine unglückliche Liebesgeschichte hineintaumeln.“
Aline griff nach meiner Hand und drückte sie. „Sie haben sich verliebt? Wie wundervoll! Wer ist der Glückliche? Handelt es sich um einen Franzosen? Bestimmt wird er die Zuneigung einer so bezaubernden Dame, wie Sie es sind, erwidern!“
„Cécile hat die Sache falsch dargestellt“, erklärte ich. „Am liebsten möchte ich gar nicht darüber sprechen.“
„Nun, mein Kind, natürlich dürfen Sie Ihr Geheimnis für sich behalten.“ Aline drückte noch einmal meine Hand und gab sie dann frei.
„Danke.“ Ich lächelte sie an. Selbstverständlich war ich davon überzeugt, Philip leidenschaftlich zu lieben. Doch tatsächlich würde ich abwarten müssen, was ich
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