Todes Kuss
der Brief aus Kairo gekommen war, fest daran, dass Philip lebt!“
Das stimmte natürlich.
„Es war lediglich mein Wunsch“, rief Andrew, „dafür zu sorgen, dass Sie in Ihrem Glauben nicht wankend wurden. Ich wollte Sie nicht verletzen. Niemals!“
„Nun, leider haben Sie mich sehr verletzt und enttäuscht, Mr Palmer. Ich muss Ihnen mitteilen, dass ich niemals einen Mann heiraten werde, der zu so unmoralischen Mitteln greift!“
Jetzt waren es seine Wangen, die sich vor Empörung oder Scham röteten. Andrew sprang von seinem Stuhl auf. „Ich gebe zu, einen Fehler gemacht zu haben. Doch Sie beleidigen mich, wenn Sie mir unterstellen, ich hätte es aus niederen Beweggründen getan. Offenbar haben Sie nie jemanden wirklich geliebt. Sonst wüssten Sie, wie unsagbar schwer es ist, auf den geliebten Menschen verzichten zu müssen. Im Übrigen sollten Sie erst einmal über den Charakter Ihres Gemahls nachdenken, ehe Sie mich als unmoralisch beschimpfen.“
„Kein Mensch ist vollkommen, auch Philip nicht.“
Wütend warf Andrew das Telegramm auf die Erde. „Das reicht kaum als Entschuldigung für seine Handlungen. Aber reiche Aristokraten sind ja stets bereit, einfach alles zu tun, um einen Skandal zu vermeiden.“
„Ihr Benehmen gefällt mir nicht“, sagte ich so ruhig, wie ich vermochte. Tatsächlich waren meine Handflächen feucht vor Aufregung. Was genau warf er Philip vor?
„Verzeihen Sie! Doch ich kann meinen Zorn kaum zügeln. Menschen wir Ashton oder Hargreaves bekommen stets, was sie wollen. Ashton war Ihrer nie würdig, Emily.“
„Und trotzdem wollten Sie mit mir nach Afrika reisen, um ihn zu retten?“
„Sie wissen, was ich für Sie empfinde. Mir ging es allein darum, Sie glücklich zu machen. Verflucht, was bin ich doch für ein Dummkopf gewesen!“ Damit stürzte er aus dem Raum.
Eine halbe Stunde später erhielt ich eine Nachricht von ihm, in der er mich zerknirscht um Vergebung bat und mir versicherte, er würde in zwei Tagen – ob nun mit mir oder ohne mich – nach Afrika aufbrechen.
Meine Abenteuer in Paris näherten sich also ihrem Ende. Céciles Treffen mit Caravaggio würde hoffentlich die Identität des Mannes ans Licht bringen, der hinter den Kunstfälschungen und -diebstählen steckte. Ich würde einen Weg finden, zukünftige Delikte dieser Art zu verhindern und die gestohlenen Originale ans British Museum zurückzugeben.
Ich war betrübt darüber, dass ich nun nicht mit Andrew und Arthur nach Afrika reisen würde. Doch unter den gegebenen Umständen konnte ich sie auf keinen Fall begleiten. Entschlossen begann ich, einen Brief an Lord Lytton von der Britischen Botschaft zu schreiben. Ich wollte ihm darlegen, warum ich es für möglich hielt, dass Philip noch lebte, und ihn bitten, eine offizielle Suchexpedition auszurichten.
Kurzfristig dachte ich sogar daran, Philips Grab öffnen zu lassen. Doch der damit verbundene Skandal hätte nicht nur seine und meine Familie, sondern vermutlich die meisten Mitglieder der guten Gesellschaft gegen mich aufgebracht.
Der Zeit verging, doch es wollte mir nicht gelingen, den Brief an Lord Lytton zu meiner Zufriedenheit fertigzustellen. Es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren. Und plötzlich breitete sich der Einfall in mir aus, ich müsse mich von meinen Sorgen ablenken. Ohne weiter darüber nachzudenken, schlüpfte ich in ein elegantes schwarzes Kleid, warf einen Umhang über die Schulter und schlug den Weg nach Montmartre ein. Philip hätte mir gewiss nie gestattet, dieses Stadtviertel aufzusuchen. Doch gerade deshalb reizte die Gegend mich. Ich würde mir eine Vorstellung im Moulin Rouge anschauen!
Zum Glück kam ich rechtzeitig zur Vernunft. Unmöglich, dieses Varieté-Theater unbegleitet aufzusuchen! Und noch dazu in meiner Trauerzeit! Hätte mich irgendeiner meiner Bekannten dort gesehen, wäre das unweigerlich mein sozialer Ruin gewesen. Und so sehr manche der Konventionen mich auch störten, auf keinen Fall wollte ich aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden.
Ich zog meinen Reiseführer von Baedeker zurate und beschloss, das Café Mazarin am Boulevard Montmartre aufzusuchen. Das lag immerhin in der Nähe meines ursprünglichen Ziels.
Tatsächlich gefiel mir das Ambiente des Cafés. Da ich gelesen hatte, die Küche sei sehr gut, ließ ich mir vom Kellner etwas empfehlen. Ich wurde nicht enttäuscht. Das Fleisch war zart und schmackhaft, die Beilagen typisch französisch, der Wein hervorragend. Zum Schluss bestellte ich
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