Todes Kuss
Erlaubnis hat er nicht gefragt. Und er hat sich auch nicht für sein unverschämtes Verhalten entschuldigt.“
„Wie aufregend! Das sollte dazu beitragen, dass Philips Faszination nachlässt.“
Ich warf Cécile einen bösen Blick zu.
„Es muss ein sehr leidenschaftlicher Kuss gewesen sein“, stellte meine Freundin gelassen fest. „Das hat Ihr Gesicht deutlich verraten.“
„Ich möchte nicht darüber reden“, erklärte ich. „Hat Ihr heutiger Ausflug in die Pariser Unterwelt noch weitere Erkenntnisse zutage gefördert?“
„Nein. Ich habe natürlich auch nach Arthur und Andrew Palmer gefragt. Die Namen schienen niemandem etwas zu sagen.“
„Wie sollten sie auch, wenn einer der beiden sich hinter dem Decknamen Caravaggio versteckt?“, spottete ich. „Haben Sie auch Erkundigungen über Colin eingezogen?“
„Aber ja! Einer der Männer, mit denen ich gesprochen habe, schien ihn zu kennen. Allerdings lachte er nur, als ich Hargreaves erwähnte.“
„Was könnte das bedeuten? Colin kommt mir nicht vor wie jemand, über den man sich lustig macht.“
„Da haben Sie zweifellos recht! Nun, ich kann mir verschiedene Erklärungen vorstellen. Entweder der Mann wusste, dass Colin dieser Caravaggio ist, und hat über meine Naivität gelacht. Oder er kennt Colin überhaupt nicht und fand es lediglich amüsant, dass ich Hargreaves als einen Mann mit dem Gesicht und Körper eines Adonis beschrieben habe.“
„Also wirklich, Cécile! Sie sind unmöglich!“ Ich runzelte die Stirn. „Kann ich selbst mit dem Mann sprechen?“
„Auf keinen Fall! Die Leute, mit denen ich heute zu tun hatte, sind keine Gentlemen und gehören überhaupt nicht zu jenen Menschen, mit denen eine junge Dame bekannt sein sollte. Sie könnten Ihnen gefährlich werden, Kallista. Für mich, denke ich, besteht wenig Gefahr. Denn zum einen bin ich alt und zum anderen eilt mir der Ruf voraus, exzentrisch zu sein. Das erleichtert mir den Eintritt in … in diese Kreise.“
Ich wollte widersprechen, doch ein Lakai erschien, um Cécile eine Nachricht zu überbringen. Sie war von Caravaggio. Er stellte ein Treffen für den nächsten Nachmittag in Aussicht. Cécile beeilte sich, eine kurze Antwort zu verfassen, die sie dem Boten unmittelbar wieder mitgab.
„Caravaggio soll um drei Uhr hierherkommen“, teilte sie mir mit.
„Sie wollen ihn zu Hause empfangen?“ Ich war der Meinung, das sei viel zu riskant. Cécile hätte auf einem Treffpunkt irgendwo in einem Café oder Hotel bestehen sollen.
Aber sie schüttelte nur den Kopf. „Das würde verdächtig erscheinen. Bis jetzt bin ich für Caravaggio nur eine verrückte ältere Dame, die ein paar antike Kunstwerke kaufen möchte und der es gleichgültig ist, ob diese Stücke gestohlen sind oder nicht. Ein solches Geschäft kann man unmöglich in der Öffentlichkeit abschließen! Außerdem dachte ich, Sie würden gern dabei sein. Hier können Sie sich viel leichter verstecken als anderswo. Ich werde Caravaggio im roten Salon empfangen. Dann können Sie unser Gespräch vom Nebenraum aus belauschen.“
„Werde ich denn durch die geschlossene Tür überhaupt etwas verstehen?“
„Ja, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Als mein Mann noch lebte, habe ich von dort aus manchmal zugehört, was er mit den Frauen … besprach, die ihn besuchten. Morgen jedenfalls werde ich versuchen, so viele Informationen wie möglich aus Caravaggio herauszulocken. Wenn wir Glück haben, erfahren wir genug, um ihn festnehmen zu lassen.“
„Und wenn nicht?“
„Dann werde ich wohl weiter die Rolle der skrupellosen Kunsteinkäuferin spielen müssen und vielleicht irgendwann im Besitz eines Teils des Parthenon-Frieses sein.“
„Um Himmels willen! Das würde Monate dauern! So lange kann ich meine Afrikareise unmöglich aufschieben.“
Cécile lachte. „Ich werde mein Bestes tun, um Caravaggio in die Falle zu locken. Ach, Kallista, ich bin mir nicht sicher, ob ich mir wünsche, dass es Colin ist oder nicht. Es wäre sehr reizvoll, meine Intelligenz mit der seinen zu messen. Doch dass er im Gefängnis landet, möchte ich eigentlich nicht.“
Auf dem Rückweg ins Meurice dachte ich noch lange über das nach, was ich von Cécile erfahren hatte. Natürlich würde es sich auch auf Philips Schicksal – sofern er noch lebte – auswirken, wenn der Mann, mit dem er illegale Geschäfte gemacht hatte, gefasst wurde. Würde ein guter Advokat Philip vor einer Strafe bewahren können? Würde es reichen, zu behaupten,
Weitere Kostenlose Bücher