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Todesacker

Todesacker

Titel: Todesacker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth Thomas Bauer
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jemandem sagten, der schwerhörig, begriffsstutzig oder ein Ausländer war. War Raymond Sutton schwerhörig? Von einem Hörgerät war nichts zu sehen, doch das hatte nichts zu bedeuten. Kleine Gegenstände wie Hörgeräte oder Brillen verschwanden in Pflegeheimen recht leicht. Dritte Zähne manchmal ebenfalls.
    »Wir haben Geflügel gezüchtet, ja. Wir hatten Tausende von Hühnern in den großen Schuppen«, sagte Sutton. »Wollten Sie etwa Hühner kaufen? Da sind Sie zu spät dran. Wir haben sie verscherbelt. Alle.«
    »Nein, ich möchte Sie nach Ihren Angestellten fragen. Können Sie sich an die Namen derer erinnern, die in dieser Zeit für Sie auf der Farm gearbeitet haben? In den vergangenen vier Jahren?«
    Sutton summte leise. Cooper kam der Gedanke, dass er womöglich gar nicht wusste, welches Jahr sie jetzt hatten, sodass die Frage bedeutungslos war.
    »Ich habe das Hauptbuch der Farm mitgebracht«, sagte er. »Vielleicht ruft das bei Ihnen Erinnerungen wach. Sehen Sie mal, ob Ihnen zu diesen Initialen ein paar Namen einfallen.«
    Sutton warf einen Blick in das Buch und seufzte. »Der Service hier ist fürchterlich. Ich würde mein letztes Hemd für eine Tasse Tee geben.«
     
    Als Cooper sich wenige Minuten später am Eingang aus der Besucherliste austrug, lächelte Elaine ihn an.
    »War Raymond heute in etwas besserer Verfassung?«
    »Ja, etwas. Ich habe versucht, seinem Gedächtnis ein wenig auf die Sprünge zu helfen.«
    »Manchmal funktioniert das. Er ist ein bisschen unberechenbar. Es kommt ganz darauf an, wie müde er ist.«
    Cooper warf einen Blick auf die Ansammlung alter Damen auf ihren Stühlen vor dem Fernseher.
    »Ich nehme an, einige der Bewohner werden über Weihnachten zu Hause bei ihren Angehörigen sein?«, sagte er.
    »Ja, einige. Aber nicht alle.«
    »Sind manche von ihnen zu krank, um das Heim verlassen zu können?«
    »Ja, und dann gibt es noch diejenigen, die keine Angehörigen haben. Tja, zumindest keine Angehörigen, die sie an Weihnachten sehen möchten.«
    »Ich verstehe.«
    Cooper blieb im Freien noch ein paar Minuten stehen und betrachtete die Fensterscheiben des Oaks-Pflegeheims. Er hatte keine Ahnung, wann der Familien- und Gemeinschaftssinn auf der Strecke geblieben war, doch er hatte das Gefühl, dass seine Großeltern die heutige Gesellschaft nicht mehr wiedererkannt hätten. Zu ihrer Zeit hatte man sich um alte Menschen gekümmert, anstatt zuzulassen, dass sie ihren Lebensabend einsam und verlassen fristen mussten. Tief in seinem Inneren war ihm bewusst, dass der Zerfall des Familienlebens überall stattfand – nicht nur in den großen Städten, sondern auch hier in den kleinen Ortschaften, die immer stark auf Gemeinschaft angewiesen waren.
    Die Konsequenzen konnte er tagtäglich bei den Menschen beobachten, mit denen er beruflich zu tun hatte. Bei Jugendlichen, die auf den Straßen außer Kontrolle gerieten, bei Kindern, die von zu Hause wegliefen und in ein Leben in Armut und in die Drogenabhängigkeit schlitterten. Bei unzähligen alleinerziehenden Müttern, die versuchten, ihre Kinder selbst zu versorgen. Bei geistig verwirrten Menschen, die entweder am Rand der Gesellschaft lebten oder im Gefängnis endeten. Bei alten Menschen, die verwahrlost starben und deren Tod monatelang weder von ihren Angehörigen noch von ihren Nachbarn oder vom Postboten bemerkt wurde. Früher wäre so etwas nie passiert, da war er sich sicher.
    Allerdings waren die Leute damals auch aus anderen Gründen gestorben.
    Im Stadtzentrum glichen die Straßen einem Lichtermeer aus weißen Glühlampen der Weihnachtsbäume, die an Fassaden befestigt waren, vereinzelten orangefarbenen Straßenlaternen und der Beleuchtung von Schaufenstern, die auf die Bürgersteige fiel. Unter den Lichtern gingen die letzten Nachzügler zu den Parkplätzen. Einige von ihnen machten sich nach einem Tag auf dem Viehmarkt auf den Weg quer durch die Grafschaft. Um die Fish-and-Chips-Buden scharten sich Schulkinder, die den letzten Schultag vor den Ferien feierten.
    Aus einem der Schornsteine des Hotels am Platz stieg eine Rauchfahne auf, und hinter einem seiner Fenster im Obergeschoss blinkte ein Weihnachtsbaum, der mehr hermachte als der offizielle Baum im Park gegenüber. Ein gelber Überlandbus fuhr vorbei, an dessen Heck der Slogan »Lass es mal wieder richtig krachen« prangte.
    Inzwischen war es richtig kalt geworden, und Cooper glaubte, den ersten Regentropfen gespürt zu haben.
     
    An diesem Abend nahm Matt seinen

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