Todesakt: Thriller (German Edition)
sie fort, »sondern ein Verbrechen, auf das die Todesstrafe steht, Mr Hight. Ein Ausflug in die Hinrichtungskammer, auf einem Rollwagen und mit einer Infusionsnadel im Arm.«
Hight schaute vom Boden auf. Sein Blick war stumpf, seine Tränen versiegt. Er war weder eingeknickt, noch hatte er etwas preisgegeben. Und nun sah er durch Lena hindurch, als sei sie Luft. Er hatte das Kinn vorgeschoben, und in seinen Augen lag ein hasserfüllter, eiskalter Ausdruck.
12
Der Mensch ist zu allem fähig.
Unter den richtigen Voraussetzungen kann sogar der sanfteste und zurückhaltendste Mensch plötzlich um sich schlagen und sich in eine reißende Bestie verwandeln.
Das war die Lektion, die Lena von ihrem ersten und letzten Partner im Dienst gelernt hatte. Dass man die Menschlichkeit genauso mühelos abstreifen konnte wie ein getragenes Hemd. Alles, was man über einen Menschen wusste, konnte innerhalb eines Sekundenbruchteils die Gültigkeit verlieren. Und wenn man von Berufs wegen für Recht und Gesetz zuständig war, bedeutete diese Erkenntnis zuweilen den Unterschied zwischen Leben und Tod.
Lena stand im Flur. Barrera war auf die Veranda hinausgegangen, um eine Zigarre zu rauchen und mit dem stellvertretenden Polizeichef zu telefonieren. Während Lena beobachtete, wie Mifune in der Küche Hight untersuchte, schoss ihr durch den Kopf, dass der Verdächtige mit der Entwicklung der Dinge vermutlich gar nicht so unzufrieden war. Er hatte davon geträumt, Jacob Gant zu töten, und der negative Prozessausgang hatte ihm die Gelegenheit gegeben, diesen Traum in die Tat umzusetzen. Ein Psychologe hätte das vermutlich als die schnellste Methode der Trauerarbeit bezeichnet. Als Abkürzung zum Schlussstrich. Gant würde nie wieder interviewt werden, in der Öffentlichkeit auftreten oder Diskussionsthema sein. Nun war er endgültig Schnee von gestern.
Der Gedanke verblasste, als sie die Treppe hinauf ins Obergeschoss ging. Carson und Street durchsuchten das Elternschlafzimmer am Ende des Flurs. Im vorderen Teil konnte Lena ein kleines Gästezimmer erkennen, anheimelnd eingerichtet, die hohen Fenster mit Stores und Vorhängen versehen und mit einer hübschen Aussicht auf Venice und das Meer am Fuß des Hügels. Eine Tür links von ihr stand offen. Eine unlackierte Treppe führte zum Speicher, und Lena hörte, dass oben zwei Detectives Gegenstände herumschoben. Auf der anderen Seite des Flurs war Hights Arbeitszimmer.
Es war ein großer Raum, im Stil ähnlich wie das Wohnzimmer. Und wie im Erdgeschoss waren die Jalousien geschlossen, sodass alles in Dunkelheit lag. Beim Anblick des großen Fernsehers an der gegenüberliegenden Wand verstand sie den Grund. Lena betrachtete den Couchtisch aus Glas, das Ledersofa und die Sessel. Offenbar diente das Zimmer gleichzeitig als Büro und Vorführraum. Neben dem Schreibtisch war Fred Wireman, ein älterer Detective, der nächstes Jahr in den Ruhestand ging, gerade mit dem Wandschrank beschäftigt. Lena wusste, dass Wireman, ebenso wie Carson und Street, als ausgesprochen sorgfältig galt.
»Massenweise Filme, was?«, sagte er.
Mit einem Nicken musterte Lena die Bücherregale. Hights Filmbibliothek schien ebenso umfangreich zu sein wie die Plattensammlung, die sie von ihrem Bruder geerbt hatte. In den vom Boden bis zur Decke reichenden Regalen standen einige Tausend Titel. Als Lena die Sammlung im Dämmerlicht betrachtete, stellte sie nach einer Weile fest, dass sie nach Regisseuren, nicht nach Filmtiteln sortiert war. Da diese Information nicht auf dem Rücken der DVD-Hülle stand, kannte Hight sich offenbar in der Filmgeschichte aus. Jedenfalls entdeckte Lena einige ihrer Lieblingsregisseure – Truffaut, Bresson, Bunuel, Bertolucci, Hitchcock, Huston, Kubrick, Kurosawa und Herzog, sie alle waren vertreten.
Sie nahm das alles zur Kenntnis, obwohl sie eigentlich der Mord an Jacob Gant beschäftigte und die Erinnerungen, die der Anblick seiner Kopfverletzungen in ihr ausgelöst hatte. Also machte sie sich auf die Suche nach John Ford. Als sie die DVD mit Der schwarze Falke gefunden hatte, holte sie sie aus dem Regal.
Eine Kopie des Originalplakats zierte den Deckel: John Wayne und Jeffrey Hunter, hoch zu Ross, die Gewehre quer über dem Sattel. Die Worte Er musste sie finden … über dem Bild wurden zweimal wiederholt.
Der zündende Gedanke blieb aus.
»Hey, Fred«, sagte sie. »Gehen Sie gern ins Kino?«
»Seit meiner Kindheit.«
»Haben Sie je den hier gesehen?«
Sie drehte sich um
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