Todesakt: Thriller (German Edition)
weiterzuarbeiten und nicht mehr zu grübeln. Als sie mit der letzten Schublade fertig war, hörte sie von draußen ein Geräusch und schaute aus dem Fenster.
Durch das Geäst der Bäume konnte sie sehen, dass sich vor dem Haus der Gants eine Menschenmenge zusammenrottete. Reporter packten ihre Koffer aus und bauten Kameras auf. Als sie den Acura RL am Straßenrand bemerkte, wusste sie sofort, wem er gehörte, und ahnte, was gleich passierte.
Buddy Paladino war im Haus und sprach mit Jacob Gants Vater. Eine aufgeladene und erwartungsvolle Atmosphäre lag in der Luft, und das angespannte Stimmengewirr der Reporter drang zum offenen Fenster herein. Der Strafverteidiger mit dem Eine-Million-Dollar-Lächeln bereitete sich auf seinen großen Auftritt vor.
Lenas Puls beschleunigte sich. Paladino würde der Presse nicht in seiner Kanzlei und auch nicht im Gerichtsgebäude Rede und Antwort stehen. Er war hier, weil er wusste, dass auch alle anderen Akteure vor Ort waren. Schließlich parkten der Transporter des SID, die Streifenwagen und die Autos der Detectives direkt vor Tim Hights Haus. Paladino besaß die geniale Fähigkeit, die einzige Schwachstelle in der Argumentation eines Staatsanwalts aufzudecken und die Geschworenen so lange zu bearbeiten, bis sie die Sache genauso sahen. Und wenn es darum ging, die Presse nach seiner Pfeife tanzen zu lassen, war er nicht zu schlagen. Er hatte Jacob Gant zu einem Freispruch verholfen – und nun war Jacob Gant tot. Deshalb brauchte Paladino nun einen Sündenbock für das Ableben seines Mandanten, und zwar vorzugsweise einen finanzkräftigen. Und darum würde er mit dem Finger direkt auf die Polizei zeigen. Er würde die Messerklinge so tief wie möglich hineinbohren und sie auch noch herumdrehen, seine Botschaft loswerden, die Polizeibehörde in den Schmutz ziehen und die Streifenwagen mit ihrem Emblem als Kulisse benutzen, wie sie dem Bühnenbildner eines großen Studios nicht besser hätte einfallen können.
Das macht Buddy Paladino zu Buddy Paladino, dachte sie. Aus diesem Grund fand sie ihn so faszinierend, wenn auch manchmal gefährlich.
Lena trat vom Fenster zurück und drehte sich wieder zum Bett um. Sie griff nach der Schatulle auf dem Nachttisch und setzte sich. Offenbar war sie handgearbeitet und bestand aus Kirschbaumholz. In den Deckel waren Blätter aus Silber rings um einen verglasten Bilderrahmen eingelassen. Das Foto stellte einen nassen Hund dar, einen Cockerspaniel, der hechelnd an einem Strand saß und aufblickte, als warte er darauf, dass jemand ein Stöckchen für ihn warf. Lena erkannte im Hintergrund den Pier von Santa Monica, konnte jedoch nicht sagen, wo genau die Aufnahme entstanden war.
Sie öffnete den Deckel und nahm den Notizblock heraus, der ganz oben lag. Darunter stieß sie auf einige Schmuckstücke. Zwischen dem Schmuck lagen ein alter Silberdollar, eine Briefmarke in Gedenken an den Baseballstar Babe Ruth und eine Hundemarke, die vermutlich einst zu dem Spaniel auf dem Foto gehört hatte. Lily Hights Hund hatte Mr Wilson geheißen.
Lena wandte sich ab.
Sie spürte eine Trauer, die sich hartnäckig hielt und die auch das Sonnenlicht nicht vertreiben konnte. Das Gefühl ließ nach, als Barrera vom Treppenabsatz aus nach ihr rief und sie antwortete. Im nächsten Moment ging die Tür auf, und er steckte den Kopf ins Zimmer. Sie stellte die Schatulle weg.
»Wir müssen miteinander reden«, sagte er.
Barrera schloss die Tür, trat ans Fenster und spähte hinaus.
»Wir stecken ordentlich in der Scheiße, Lena. Der Oberstaatsanwalt dreht jetzt offenbar total am Rad. Die Sache wird sich nicht so einfach aus der Welt schaffen lassen. Nicht, solange Paladino allen unter die Nase reibt, welchen Mist wir gebaut haben. Da spielt es keine Rolle, was die Leute von Jacob Gant gehalten haben oder dass sie sich über seinen Tod freuen. Paladino weiß das. Warten Sie nur ab. Er wird uns in Stücke reißen und so viel Geld wie möglich aus der Sache herauspressen.«
Seine Worte überschlugen sich, bis ihm schließlich der Dampf ausging und er verstummte. Er ließ sich auf der Armlehne des Lesesessels nieder, betrachtete das Zimmer und schien die Stimmung im Zimmer ebenso beklemmend zu finden wie Lena.
»Was entdeckt?«, fragte er.
»Noch nicht.«
»Genau wie bei den anderen. Wir wollen den Tatsachen ins Auge sehen: Die Pistole ist nicht im Haus. Wenn Sie hier durch sind, können wir Schluss machen.«
Als er sie ansah, blitzte etwas in seinen Augen
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